Das Paderborner Start-up AMendate hat eine Software entwickelt, die in der Lage ist, technische Bauteile schnell und vollautomatisch zu optimieren. Gründer und Geschäftsführer Thomas Reiher über die Alleinstellungsmerkmale und den Nutzen für den Anwender.
m&w: Skizzieren Sie Ihre Geschäftsidee
Thomas Reiher: Der Prozess für die Erzeugung von gewichtsreduzierten Bauteilen ist mit bisher existierender Software sehr komplex. Mit unserer Software ermöglichen wir nun eine einfach zu bedienende, vollautomatisierte Optimierung technischer Bauteile. Entstanden ist diese Idee bei der Arbeit an der Universität Paderborn und dem dortigen Forschungszentrum für die additive Fertigung, dem Direct Manufacturing Research Center (DMRC). Die Optimierungen von Bauteilen für die additive Fertigung mit den herkömmlichen Softwarelösungen fanden wir unzulänglich und nicht auf die Besonderheiten dieser Fertigungstechnologie angepasst. Dabei ist die additive Fertigung hervorragend geeignet die komplexen Leichtbaustrukturen kosteneffizienten herzustellen.
Wie hat sich daraus die Leidenschaft entwickelt, ein eigenes Unternehmen zu gründen?
Thomas Reiher: Zusammen mit meinem Mitgründer Steffen Vogelsang haben wir eigene Ideen und Algorithmen entwickelt, getestet und umgesetzt. Innerhalb von drei Jahren erzeugten wir so einen funktionierenden Prototyp, den ich auf Messen, Konferenzen und bei Projektpartnern immer mal wieder vorgestellt habe. Die Idee und der Prototyp stießen dabei auf sehr viel Interesse seitens der Industrie, sodass wir uns entschieden, unser Start-up zu gründen und dort die Software in Vollzeit weiterzuentwickeln, um diese fortan auch vertreiben zu können. Dabei war es schon länger mein Wunsch, mich mit einer eigenen Idee selbstständig zu machen und hier bot sich die ideale Gelegenheit genau dies mit einem sehr vielversprechenden Produkt zu tun. Da habe ich dann, auch gestärkt durch den Gründungswillen des weiteren Teams und die Unterstützung des Technologietransfer-Center TecUP der Universität Paderborn, den Schritt gewagt. Die Breite an zu bewältigenden Themen und Herausforderungen hätte ich so im Vorhinein nicht erwartet, aber gemeinsam haben wir viel Freude daran, diese Stück für Stück anzugehen.
m&w: Welche Lösungsmöglichkeiten bieten Sie und wo liegt der Nutzen?
Thomas Reiher: Unsere Software ermöglicht die äußerst schnelle Generierung von komplexen Leichtbaustrukturen ohne die dafür sonst notwendige manuelle Arbeit, die mit der Interpretation und Nachkonstruktion des Ergebnisses einhergeht. Das Kernelement ist ein ausgefeilter Algorithmus, der die Interpretation automatisch durchführt und das Ergebnis automatisch in gängige CAD-Formate überführt. Das ermöglicht dem Nutzer, das erzeugte Bauteil in seinem bekannten technischen Datenworkflow nutzen zu können. Unsere Ergebnisse sind dabei hervorragend an die auftretenden Bauteilbelastungen angepasst, reduzieren den Materialeinsatz und weisen keinerlei Konvertierungsverluste auf. Und das mit einer einzigen Software in einem Arbeitsschritt. Der Prozess dafür ist signifikant vereinfacht, automatisiert und dadurch besonders schnell. Die Software kann somit auch von Unternehmen schnell und kosteneffizient eingesetzt werden, die keine spezielle Optimierungsabteilung oder -experten haben. Dabei sind wir bis zu 80% schneller als herkömmliche Software und erzielen Gewichtseinsparungen von über 40% mit einem direkt produzierbaren, optimal auf die additive Fertigung ausgelegten Optimierungsergebnis. Außerdem kann sich der Ingenieur durch die Automatisierung wieder mehr auf die Konzeptionierung der Bauteile konzentrieren und die zeitaufwendige Konstruktion der Software überlassen.
m&w: Was bedeutet für Sie Innovation?
Thomas Reiher: Wenn wir von Innovationen sprechen, haben wir dabei maßgeblich den Kundennutzen im Blick. Wir möchten durch neue Ideen Abläufe für Menschen – sei es der Kunde oder der direkte Anwender – schneller und einfacher machen. Wenn wir diese Idee in ein wirtschaftlich erfolgreiches Produkt umsetzen können, dann ist es nicht nur eine Erfindung, sondern eine echte Innovation.
m&w: Hatten / haben Sie Probleme bei der Finanzierung?
Thomas Reiher: Das Paderborner Existenzgründungs-Center TecUP hat uns im Rahmen unserer Gründung beraten und uns darin unterstützt, ein EXIST-Gründerstipendium zu beantragen. Unsere Bewerbung wurde dabei positiv bewertet und seit Juli 2018 sind drei unserer Gründungsmitglieder über dieses Stipendium finanziert, zusätzlich zu einigen Sachmitteln für IT-Ausrüstung, Reiseauslagen und Coachings. Außerdem hat sich damit die Universität Paderborn verpflichtet, uns für diese Zeit ein eigenes Büro zur Verfügung zu stellen, sodass wir nun unsere eigene Garage in der garage33, dem Paderborner Inkubator, haben. Das alles hilft uns aktuell sehr dabei, uns auf den Aufbau unseres Unternehmens und der Weiterentwicklung der Software zu fokussieren. Mit ersten Einnahmen können wir darüber hinaus auch bereits unser viertes Gründungsmitglied anstellen und einen Werkstudenten beschäftigen. Für die zusätzliche Erweiterung unseres Teams um Softwareentwickler und Vertriebsstrategen sind wir derzeit in Gesprächen mit Investoren, um die dafür notwendigen finanziellen Mittel zu sichern. Damit sollen dann das Wachstum und der Output unseres Start-ups nochmal deutlich an Fahrt gewinnen.
m&w: Falls Sie schon mit Kooperationspartnern zusammenarbeiten, wie funktioniert die Kooperation?
Thomas Reiher: Schon vor unserer Gründung waren wir bereits im Gespräch mit unserem aktuellen Pilotkunden, der Firma PROTIQ aus Blomberg. Als Auftragsfertiger für die additive Fertigung bietet PROTIQ auch weitere Dienstleistungen rund um die Technologie an und bietet mit unserer Software dem Kunden weltweit als erste eine Online-Topologieoptimierung auf ihrer Webseite an. Diese Innovation wird durch die einfache Bedienbarkeit und den hohen Automatisierungsgrad von AMendate ermöglicht. Die Kooperation ist dabei für beide Seiten hochinteressant: PROTIQ kann seinen Kunden einen Mehrwert bieten und für uns ist dies der direkte Markteintritt, der mit viel Aufmerksamkeit verbunden ist. PROTIQ profitiert von einer jungen, innovativen Technologie aus der Region und wir von der Reichweite der namhaften Firma. Für beide Seiten also ein voller Gewinn, den man in der Zusammenarbeit auch spürt!
m&w: Sind Sie mit der bisherigen Entwicklung zufrieden und was war für Ihr Unternehmen bisher der größte Erfolg?
Thomas Reiher: Wir sind bisher sehr zufrieden damit, wie unser Produkt am Markt aufgenommen wird. Unsere beiden Messeauftritte auf den Fachmessen Rapid.Tech im Juni und Formnext im November waren sehr erfolgreich. Besonders stolz sind wir darauf, dass wir bei beiden Messen jeweils den Start-up Wettbewerb für uns entscheiden konnten. Zusätzlich wurden wir von einem der führenden Branchenportale im Zuge einer Abstimmung zum innovativsten Startup des Jahres 2018 ausgezeichnet. Wir haben nicht damit gerechnet, so früh bereits derart viele positive Rückmeldungen zu unserer Technologie zu erhalten. Das macht uns stolz und bestärkt uns darin, den richtigen Weg eingeschlagen zu haben. Neben diesen Auszeichnungen freuen wir uns aber auch besonders über den erfolgreichen Start der Online-Topologieoptimierung. Wenn das eigene Produkt so reibungslos funktioniert, weiß man, dass sich die viele Arbeit gelohnt hat!
m&w: Wo geht die Reise hin und was werden Ihre größten Herausforderungen in den nächsten zwölf Monaten voraussichtlich sein?
Thomas Reiher: Wir arbeiten derzeit intensiv an weiteren interessanten Funktionen und dem Ausbau der grafischen Benutzeroberfläche. Technisch sehen wir sehr viel Potential im Generative Design, also der automatischen und schnellen Erzeugung vieler verschiedener Designvarianten durch eine Parametervariation, bei der die vielversprechendste Variation final berechnet wird. Hier lässt sich auch künstliche Intelligenz einsetzen, um noch schneller bessere Ergebnisse zu erzielen – da gibt es erst noch eine Menge zu tun. Aber auch so haben wir viele neue tolle Ideen und weitere Funktionen in der Pipeline, die wir schnellstmöglich implementieren möchten.
Weitere Informationen: www.amendate.de