Arbeiten im Büro, im Homeoffice, virtuell per Videokonferenz oder mobil an einem anderen Ort: Viele Mitarbeiter möchten selbst entscheiden, wo sie ihre Arbeit verrichten. Trotzdem behält das Büro seine Berechtigung. Ändern werden sich jedoch die Anforderungen an die Arbeitsumgebung, wie Barbara Schwaibold, Sprecherin des Industrieverband Büro und Arbeitswelt e. V. (IBA) erklärt.
m&w: Frau Schwaibold, unsere Arbeitswelt befindet sich seit einigen Jahren in einem radikalen Wandel. Die globale Situation hat eine Veränderung des bis dahin geltenden Status quo erzwungen. Die Art, wie und wo wir arbeiten, hat sich nachhaltig verändert. Neue Arbeitsmodelle haben sich gefunden und etabliert. Was etwa früher eher die Ausnahme war, ist heute plötzlich gelebter Alltag: das Homeoffice. Doch viele Unternehmen wünschen sich eine – zumindest teilweise – Rückkehr ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in die alten Büros. Wie kann eine sichere Rückkehr ins Büro funktionieren?
Barbara Schwaibold: Gut geplante Büros sind per se vergleichsweise sichere Orte. Schon die Aufstellung der Arbeitsplätze gibt einen gewissen Sicherheitsabstand vor und bei Bedarf können – wie zu Beginn der Corona-Pandemie geschehen – schnell zusätzliche Maßnahmen getroffen werden. Kritisch ist die Situation nur dort, wo Mitarbeiter dicht an dicht sitzen, sei es um Flächenkosten zu sparen oder weil die Belegschaft schnell gewachsen ist. Dann muss für Abhilfe gesorgt werden und das nicht nur aus Gesundheitsaspekten, sondern weil so niemand gerne arbeitet. Außerdem gehen derart beengte Verhältnisse zu Lasten der Produktivität. Aus zahlreichen Unter- suchungen weiß man, dass erzwungene Nähe nicht etwa Kommunikation fördert, sondern diese im Gegenteil behindert. Wer Teamwork will, muss folglich Platz dafür schaffen.
m&w: Wo liegen die besonderen Herausforderungen bzw. Aufgaben für die Unternehmen bei der Raum- / Bürogestaltung in einer hybriden Arbeitswelt?
Barbara Schwaibold: Zunächst in der Bedarfsermittlung und dann in der Entwicklung von Einrichtungskonzepten, die offen für Veränderungen sind. Letztendlich weiß derzeit kein Unternehmen, wie es in fünf oder zehn Jahren aufgestellt sein wird. Das ist aber der Planungshorizont, von dem wir bei einer Einrichtungsplanung ausgehen. Kurzfristig steht somit die Frage im Raum, wieviel Arbeit im Homeoffice erledigt wird und wann die Beschäftigten ins Büro kommen – alle gleichzeitig oder zeitlich versetzt. Darüber hinaus geht es um die Frage, wie wir künftig arbeiten werden. Wie sieht die Zusammenarbeit im Unternehmen aus? Wie wird die Zusammenarbeit mit externen Partnern aussehen? Nun könnte man auf die Idee kommen, erst einmal abzuwarten, wie sich die Dinge entwickeln und dann die Büros an die neuen Anforderungen anzupassen. Das klingt gut, führt aber fast zwangsläufig zu einem klassischen „Henne-Ei-Problem“. Wenn die Räume nämlich nicht verändert werden, fehlen fast immer die notwendigen Voraussetzungen, um neue Formen der Zusammenarbeit auszutesten. Die wären aber dringend notwendig, um sich auf individualisierte Kundenwünsche und einen globalen Markt einzustellen. Also gilt es, erste Anpassungen zu machen, ohne sich allzusehr festzulegen. Eine gute Einrichtung besteht daher künftig immer aus zwei Komponenten: einer soliden Basis aus ergonomischen und auch sonst gut gestalteten Arbeitsplätzen, als Option im Büro oder im Homeoffice, und aus flexibel nutzbaren Elementen, die sich ohne großen Aufwand an veränderte Anforderungen anpassen lassen.
m&w: Wohin geht der Trend: Soll das Büro in einer hybriden Arbeitswelt eher ein attraktiver Begegnungsort werden, oder eher eine Lern- und Arbeitswelt? Welchen Mehrwert muss das Büro künftig liefern?
Barbara Schwaibold: Begegnung ist Voraussetzung für viele Formen der Zusammenarbeit, schließlich bleiben Vertrauen und kreatives Teamwork früher oder später auf der Strecke, wenn man sich nicht in die Augen schauen kann. Trotz einer Vielzahl digitaler Tools reicht hier nichts an die persönliche Begegnung heran. Das gilt sowohl im Hinblick auf die Qualität der Arbeit als auch mit Blick auf Teamzusammenhalt und die Verbundenheit zum Unternehmen. Im vergangenen Jahr hat ein Team der Universität Paderborn für uns einen größeren Datensatz aus zwei Beschäftigtenbefragungen ausgewertet. Das Ergebnis war nicht ganz unerwartet, aber dennoch auch für uns hochinteressant. So ist es in erster Linie die Arbeitsatmosphäre, die Beschäftigte an Unternehmen bindet und gleichzeitig als Faktor im Kampf um neue Arbeitskräfte zählt. Wie die Arbeitsatmosphäre wahrgenommen wird, hängt wiederum in erster Linie vom Verhalten der Vorgesetzen und dem Zusammenhalt unter den Kollegen ab. Auch die räumliche Ausstattung spielt eine wichtige Rolle. Dabei kommt es vor allem darauf an, dass Arbeitgeber ihren Beschäftigten nicht nur uniform eingerichtete Büros, sondern unterschiedliche Räume zur Verfügung stellen, die unterschiedliche Formen der Arbeit unterstützen. Aber viele Büros sehen heute immer noch so aus, als ob wir den ganzen Tag am Schreibtisch verbringen müssten. Das ist ebenso unrealistisch wie die Vorstellung, dass man nur noch für Besprechungen und Workshops ins Büro kommt. Arbeit ist heute immer eine Mischung aus verschiedenen Tätigkeiten, die unterschiedliche Anforderungen an die Arbeitsumgebung mit sich bringen. Wirtschaftlich sinnvoll ist daher ein Mix aus unterschiedlich ausgestatteten und, wie schon erwähnt, an wechselnde Bedürfnisse anpassbaren Räumen. Das schafft dann ganz nebenbei auch die notwendigen Voraussetzungen, um Büros zu echten Lernwelten zu machen.
m&w: Muss sich auch die technische Ausstattung weiterentwickeln?
Barbara Schwaibold: Auf jeden Fall, z. B. mit Blick auf Räume für hybride Meetings. Es macht wenig Sinn, dass mehrere Personen einzeln an Konferenzen teilnehmen, wenn sie nur wenige Meter voneinander entfernt sitzen. Genauso wenig hilfreich sind aber Videokonferenzen, bei denen die extern Zugeschalteten nicht einmal die Gesichter der vor Ort im Besprechungsraum versammelten Kollegen und Kolleginnen erkennen können, weil die Kameraeinstellung sich nicht an die Meetinggröße anpassen lässt. Hier gibt es noch einiges zu tun. Sinnvoll ist es zudem, sich mit smarten Tools für die Raumbuchung und -nutzungserfassung zu beschäftigen, ebenso wie mit den neuen Möglichkeiten der Technik die Gesundheit der Mitarbeiter zu unterstützen, beispielsweise wenn diese bei wechselnder Nutzung hilft, Drehstühle und Schreibtische ergonomisch richtig einzustellen.
Wie bzw. wohin müssen sich die Raumkonstellationen und -einrichtungen verändern und welche Rolle spielen die Mitarbeitenden dabei?
Barbara Schwaibold: Das ist der Punkt, an dem sich in den letzten Jahren die wohl größte Veränderung vollzogen hat, zumindest in den Köpfen. Es geht heute nicht mehr so sehr darum, perfekte Imagebilder zu produzieren, sondern um gelebte Unternehmenskultur. Wenn Sie in ein Unternehmen kommen, erkennen Sie meist schon mit wenigen Blicken, welche Art der Zusammenarbeit dort gepflegt wird. Sie erkennen das an der Einrichtung und daran, wie diese genutzt wird. Ein sympathisches Unternehmen ist ein Unternehmen, in dem die Beschäftigten sich den Raum und dessen Einrichtung zu eigen machen. Das sind dann meist auch die Betriebe, in denen effizientes Arbeiten und Arbeitgeberattraktivität Hand-in-Hand gehen. Um das zu erreichen, muss man die Beschäftigten von Anfang an in die Planung einbeziehen.
m&w: Können Sie evtl. ein Beispiel für eine gelungene Gestaltung eines Arbeitsplatzes in der künftigen Arbeitswelt geben?
Barbara Schwaibold: Unser Verband vergibt einmal jährlich gemeinsam mit der Arbeitgeberbewertungsplattform kununu den Best Workplace Award. Dieser Preis richtet sich an Unternehmen, die generell gute Arbeitsbedingungen mit besonders gut gestalteten Arbeitsplätzen verbinden. Die Preisträger 2022 werden am 27. Oktober im Rahmen der Einrichtungsfachmesse ORGATEC bekanntgegeben. In der Nominiertenliste finden sich bekannte Namen wie Coca Cola oder die List Gruppe, der als Immobilienspezialist Einrichtungsthemen naturgemäß nahe liegen. Die AXA-Versicherungen und der Dating-App-Betreiber LOVOO gehörten schon zu den Preisträgern. Mit dem Award werden aber auch kleine und mittelständische Unternehmen ausgezeichnet. Was all diese Unternehmen gemeinsam haben, sind eine offene Unternehmenskultur, die durch viel Raum für Kommunikation und persönliche Begegnung unterstützt werden, eine ergonomisch hochwertige Ausstattung der Arbeitsplätze und Entscheidungsprozesse, in die die Beschäftigten von Anfang an einbezogen waren.