Interview: “Wir vermitteln Fähigkeiten, die für eine digitale Transformation notwendig sind“
Die Digitalisierungsbereitschaft und -umsetzung deutscher Unternehmen lässt oft noch zu wünschen übrig. Wo die Chancen der Transformation liegen und welche Kompetenzen die Branche braucht, erklärt Prof. Dr. Wolfgang Buchholz, Wissenschaftler am Fachbereich Wirtschaft der Fachhochschule Münster.
Im Branchenvergleich gibt es deutliche Unterschiede bei der Umsetzung der digitalen Transformation. Wo sehen Sie die Logistik?
Wolfgang Buchholz: Mein Fokus liegt im Bereich der Beschaffungslogistik, so dass ich nur zu diesem Segment der logistischen Prozesse eine belastbare Aussage treffen kann. Salopp gesagt „besteht noch viel Luft nach oben“. Wir haben gerade selbst eine Studie zu dem Thema durchgeführt und festgestellt, dass die in der Theorie propagierten Potenziale in der Praxis nur unzureichend gehoben werden. Dies gilt natürlich insbesondere für kleine und mittlere Unternehmen.
Welche Chancen bieten digitale Strukturen für die Logistik?
Wolfgang Buchholz: Digitalisierte Prozesse ermöglichen Zeiteinsparungen und eine erhöhte Produktivität. Mitarbeiter werden dadurch entlastet und können anderen unmittelbar wertschöpfenden Tätigkeiten nachgehen. Man erreicht mehr Transparenz in den Prozessen, wodurch auch eine Qualitätsverbesserung und Fehlerreduzierung ermöglicht wird. Dadurch entsteht eine höhere Mitarbeitermotivation und -zufriedenheit. Nicht zuletzt lassen sich auch die Kosten reduzieren, da manuelle Arbeit durch Automatisierung ersetzt wird, wodurch es zu einer Steigerung hinsichtlich der operativen Effizienz kommt.
Woran liegt es, dass sich die Branche noch schwertut? Wo liegen die Probleme für die Zurückhaltung auch hinsichtlich der damit verbundenen Kosten für die Umsetzung der digitalen Transformation?
Wolfgang Buchholz: Es lassen sich hier die grundsätzlichen Ängste von Mitarbeitern vor Neuerungen anführen. Gegenüber neuen Technologien bestehen oft Berührungsängste. Zwar hat die in der Pandemie notwendige, stärkere Nutzung digitaler Technologien hier eine Reduzierung dieser Barrieren bewirkt, sie aber nicht gänzlich abgebaut. Ein weiteres Argument ist, dass in der Übergangsphase zwischen alter und neuer Lösung die Prozesse oft nicht vollkommen rund laufen. Auch das führt dazu, dass man gerne länger am Status quo festhält.
Ein Blick auf die Beschäftigten: Welche neuen Herausforderungen bzw. Qualifikationen sind notwendig?
Wolfgang Buchholz: Auch hier möchte ich eigene Forschungsergebnisse für den Bereich der Beschaffung zitieren. Im Rahmen einer Delphi Studie haben wir in einem Forschungsprojekt die folgenden fünf Fähigkeiten als zukünftig besonders wichtig identifiziert: Data Analytics-, E-Technology-, Digital Leadership-, Robot Processs Automation- und Supply Network Management-Fähigkeiten. Es zeigt sich also, dass neben technologischem Know-how auch ein neues Führungsverständnis notwendig ist.
Sie haben einen neuen berufsbegleitenden Masterstudiengang „Digital Supply Chain Management“ entwickelt. Aus welcher Notwendigkeit heraus ist dieser entstanden und wer sind die Adressaten?
Wolfgang Buchholz: Wir wollen zum einen dabei helfen, die eben angesprochenen Hindernisse zu überwinden und zum anderen die genannten Fähigkeiten vermitteln, die für eine digitale Transformation der Logistik notwendig sind. Die Adressaten sind Absolventen betriebswirtschaftlicher oder technischer Studiengänge, die sich nach ersten Praxiserfahrungen im Bereich Supply Chain Management nebenberuflich weiterqualifizieren möchten. Dazu gehören Mitarbeiter aus Funktionen, die mit der Gestaltung, Optimierung, aber auch der operativen Abwicklung entlang der Supply Chain betraut sind, sowie Interessenten von Industrie- und Handelsunternehmen, Logistikdienstleistern, Management- und IT-Beratungsunternehmen. Dabei nehmen wir keine inhaltliche Fokussierung auf einzelne Teilbereiche der Supply Chain vor. Unsere Erfahrung hat gezeigt, dass beispielsweise auch für einen Disponenten der Distributionslogistik ein Einblick in die strategische Beschaffung hilfreich sein kann. Ein Blick über den eigenen Tellerrand kann nie schaden.
Welche Impulse versprechen Sie sich vom neuen Angebot?
Wolfgang Buchholz: Der neue Studiengang passt hervorragend zu der strategischen Ausrichtung der FH Münster, in der das lebenslange Lernen und die intensive Vernetzung mit der Praxis propagiert wird. Dazu wollen wir gerne einen Beitrag leisten.