Das Gemeinschaftspatent: Wo liegt der Nutzen für die Wirtschaft?

Autor des Beitrags ist Patentanwalt Dipl.-Ing. Detlef Brandt, Geschäftsführer Patent- und Innovations- Centrum Bielefeld GmbH (PIC)

Das Gemeinschaftspatent wird voraussichtlich am 1. Juni in Kraft treten. Patentanwalt Dipl.-Ing. Detlef Brandt, Geschäftsführer Patent- und Innovations-Centrum Bielefeld GmbH (PIC), über die Grundlagen, die Kosten sowie Vor- und Nachteile.

Wer eine Erfindung in ganz Europa oder auch nur in zahlreichen Ländern, in denen gege­benenfalls Wettbewerber ansässig sind oder in denen besonders lukrative Absatzmärkte winken, bislang schützen wollte, musste nach der Erteilung eines europäischen Patentes in jedem der für einen Schutz interessanten Länder der europäischen Gemeinschaft ein natio­nales Patent aus dem EP-Patent ableiten.

Der Patentinhaber erhielt somit ein Bündel von Schutzrechten, für die jeweils an die natio­nalen Patentbehörden zur Aufrechterhaltung Jahresgebühren zu zahlen waren. Darüber hinaus kamen Übersetzungserfordernisse unterschiedlichen Ausmaßes für Ansprüche und Beschreibung hinzu, um ein nationales Schutzrecht in Kraft zu setzen.

Die Nachteile eines europäischen Patentschutzes lagen somit bereits seit langem auf der Hand. Zwar hat die Einführung des europäischen Patentrechtes in den Europäischen Wirt­schaftsraum von mehr als 50 Jahren den Mangel beseitigt, für den Schutz einer Erfindung in jedem Land ein einzelnes Erteilungsverfahren durchführen zu müssen. Der Zerfall eines europäischen Patentes in nationale Schutzrechte war jedoch immer wieder Gegenstand von Verbesserungsüberlegungen, insbesondere unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten für die Industrie eine Schutzrechtsreform durchzuführen. Nach mehr als 20 Jahren ist es so weit: Das Gemeinschaftspatent oder auch Einheitspatent genannt, kann voraussichtlich ab dem 1. Juni 2023 als Schutzinstrument genutzt werden. Die Schutzwirkung des neuen Patentinstrumentes erstreckt sich auf alle Länder der europä­ischen Gemeinschaft, die eine Ratifizierung des Gemeinschaftspatentabkommens vorge­nommen haben.

Die Vorteile

Für das Einheitspatent ist für alle Erstreckungsstaaten nur eine einzige Jahresgebühr zu zahlen. Dadurch entfällt die Zahlung unterschiedlicher Jahresgebühren zu unterschiedlichen Terminen in einzelnen EU-Staaten. Das Einheitspatent kann durch eine einzige Willenserklärung in Kraft gesetzt werden, was den Aufwand einzelner Validierungen mit entsprechenden Übersetzungserfordernissen in verschiedenen Staaten obsolet macht.
Verletzungshandlungen im Staatengebiet des Einheitspatentes können vor dem Einheits­patentgerichtshof in einem einzigen Gerichtsverfahren verfolgt werden, ohne wie bislang in einzelnen EU-Staaten ein Klageverfahren einleiten zu müssen. Die Rechtsverfolgung und die entsprechenden Kosten sind gebündelt und widersprechende Gerichtsentscheidungen für unterschiedliche Staaten werden vermieden.

Durch die einheitliche Wirkung des Einheitspatentes wird eine Harmonisierung des Patent­schutzes erreicht. Nationale Besonderheiten insbesondere bezüglich einer Verletzung im Äquivalenzbereich treten dadurch im Verletzungsverfahren in den Hintergrund.

Die Nachteile

Das Einheitspatent kann in einem einzigen Gerichtsverfahren zentral mit Wirkung für sämtliche vom Einheitspatent erfassten EU-Staaten beschränkt oder vernichtet werden. Bislang übliche Möglichkeiten, einen Verletzungstatbestand mit überschaubarem Ausmaß z.B. im Rahmen eines beschränkten kostengünstigen Pilotprozesses zu führen und sich auf Basis des Ergebnisses für andere Länder zu vergleichen, entfallen durch das Einheitspatent.
Auf das Einheitspatent kann nur in Gänze verzichtet werden. Sollte sich im Zuge der Patentlaufzeit eine Konzentration des Schutzerfordernisses auf weniger Länder ergeben, ist beim Einheitspatent eine Reduzierung der erforderlichen Jahresgebühren für die Reduzie­rung des Schutzterritoriums nicht gegeben.

Es bleibt abzuwarten, ob sich das Einheitspatentgericht in seiner Urteilspraxis von der bislang gefestigten Rechtsprechung beispielsweise der deutschen Verletzungsgerichte unterscheiden wird. Insofern unterliegt die Durchführung eines Verletzungsprozesses unter Umständen erhöhten Risiken.

Ablauf

Der Start in den europäischen Patenterteilungsprozess erfolgt auf dem gleichen Wege mit dem beim Europäischen Patentamt üblichen Erteilungsverfahren. Zeit- und Kostenaufwand sind somit identisch, egal ob der Patentinhaber wie bislang Patente in einzelnen ausge­wählten EU-Staaten anstrebt oder ein Einheitspatent ins Auge fasst. Nach der Erteilung kann der Patentinhaber beantragen, ein europäisches Patent mit einheit­licher Wirkung für alle hiervon erfassten EU-Staaten eingetragen zu bekommen.

Kosten

Wie bereits erwähnt, fallen für das Einheitspatent bis zur Erteilung die gleichen Kosten wie für ein herkömmliches europäisches Patent an. Für die Inkraftsetzung des Einheitspatentes entfallen die für die einzelnen Länderpatente erforderlichen Übersetzungskosten zur Erfüllung nationaler Validierungserfordernisse, sodass hier mit Kostenersparnissen gerechnet werden darf. Es bleibt abzuwarten, inwieweit die momentane Verbesserung der Übersetzungsmöglichkeiten mittels Computern in Bezug auf die Erfordernisse der einzelnen Länderpatente zu einer Herabsetzung der bislang hohen Kosten führen wird.
Natürlich sind bei Einführung einer neuen Gesetzesgrundlage noch viele Fragen offen, die sich aus der Anwendung des Schutzinstrumentes in der Praxis ergeben. Fest dürfte allerdings schon jetzt stehen, dass der Industrie und mittelständischen Wirtschaft eine inte­ressante neue Möglichkeit an die Hand gegeben wird, ihr geistiges Know-how in ange­messener Weise unter Berücksichtigung wirtschaftlicher Rahmenbedingungen zu schützen.

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