„Die bestehende Vielfalt besser abbilden“


Oliver Lummer ist Experte für Weiterbildungsthemen am Fraunhofer IEM. (Foto: IEM)

Wie sieht die Weiterbildungsszene in der Region aus? Die OstWestfalenLippe GmbH und das Fraunhofer-Institut für Entwurfstechnik Mechatronik (IEM) haben in ihrer Studie den Status-Quo analysiert. Oliver Lummer, wissenschaftlicher Mitarbeiter am IEM und Co-Autor der Untersuchung, über die Ergebnisse und die Suche nach digitalen Lösungen.

m&w: Weiterbildungsangebote gibt es schon lange und auch digitale Lernformen gehören längst zum Alltag. Warum war es notwendig, eine Studie durchzuführen und was für Erkenntnisse wollten Sie gewinnen?

Oliver Lummer: Richtig, in OWL gibt es bereits viele Weiterbildungsangebote und Akteure, die in diesem Bereich aktiv sind. Vor dem Hintergrund von Digitalisierung, Globalisierung, demografischem und kulturellem Wandel ist jedoch viel Bewegung auf dem Markt, auch und gerade in OWL. Es gibt eine größere Vielfalt an Formaten, Technologie und Plattformen werden verstärkt genutzt und neue Angebote und Player kommen hinzu. Mit unserem Report wollten wir diese Entwicklungen im Detail beschreiben und zentrale Herausforderungen für das Weiterbildungsökosystem OWL identifizieren.

m&w: Die Weiterbildungslandschaft in OWL ist sehr vielfältig, beschreiben Sie in Ihrer Studie. Das ist doch zunächst keine schlechte Erkenntnis. Wo liegen denn die Probleme hinsichtlich der Vielfalt?

Oliver Lummer: Die Vielfalt ist grundsätzlich erst einmal gut und zeigt, dass viele Unternehmen Weiterbildung als wichtiges und zukunftweisendes Thema auf dem Schirm haben und in der Region auch eine entsprechende Nachfrage vorhanden ist. Es gibt tolle Initiativen und Weiterbildungsangebote in OWL, die bislang aber eher unverbunden nebeneinander existieren und teilweise nicht die Zielgruppen erreichen, die sie sinnvollerweise erreichen könnten. Durch eine bessere Sichtbarkeit von Anbietern und Möglichkeiten der einfachen Zusammenarbeit von Anbietern und Nachfragern sehen wir große Potenziale, die bestehende Vielfalt besser abzubilden und in Richtung passgenauer Weiterbildungsangebote für die Beschäftigten in der Region zu kanalisieren.

m&w: Vor welchen Herausforderungen stehen digitale Weiterbildungsangebote bzw. Weiterbildungsanbieter in Ihrem Untersuchungsgebiet?

Oliver Lummer: Für die Anbieter stellen sich einerseits Herausforderungen bei der Entwicklung passgenauer Angebote – also von Weiterbildungsangeboten, die auf die Bedarfe von Unternehmen und Beschäftigten zugeschnitten sind. Sie betreffen insbesondere eine gelingende interne wie externe Kommunikation und effiziente Abstimmungsprozesse. Zum anderen gibt es Herausforderungen bei der Entwicklung hochwertiger Angebote – also von Angeboten, die eine hohe (didaktische) Qualität aufweisen. Hier geht es zum Beispiel darum, die richtige Mischung von Lernformaten zu finden, Interaktivität auch digital herzustellen und relativ neue Technologien wie AR oder VR zielgerichtet einzusetzen. Darüber hinaus stellt sich für regionale Weiterbildungsanbieter die Herausforderung, ihre Angebote auch über Weiterbildungsplattformen verfügbar zu machen. Diese werden von Unternehmen und Beschäftigten zunehmend genutzt, da sie effiziente Einkaufsprozesse und ein attraktives Angebotsportfolio für die Beschäftigten versprechen. Hier gilt es für Anbieter jedoch genau abzuwägen, welche Plattformaktivitäten unterstützt werden, weil damit auch neue Abhängigkeiten entstehen können.

m&w: Welche Bedeutung spielen die Weiterbildungsplattformen hinsichtlich des Findens und Erstellens von Lernangeboten für Unternehmen?

Oliver Lummer: Wie schon angedeutet spielen Weiterbildungsplattformen eine zunehmend wichtige Rolle. Bei größeren Unternehmen mit einer bereits vorhandenen digitalen Lerninfrastruktur sind vor allem Beschaffungsplattformen von Bedeutung. Mit der Anbindung der eigenen Systeme an diese Plattformen verfolgen die Unternehmen vor allem das Ziel, ihren Mitarbeitern ein kuratiertes und über die eigene Lernplattform leicht verfügbares Angebot an Weiterbildungsmöglichkeiten zu bieten. Die Vorteile liegen auf der Hand: Einfache Such- und Filtermöglichkeiten, eine gewisse Vergleichbarkeit der Angebote und unkomplizierte Buchungs- und Nutzungsmöglichkeiten. Aus Sicht der Unternehmen gibt es jedoch Schwierigkeiten mit Blick auf die Kompatibilität von verschiedenen Plattformen, die die Integration und Beschaffung von externen Angeboten teilweise noch erschweren. Bei der Erstellung von Lernangeboten sind übergreifende Weiterbildungsplattformen weniger bedeutend, hier setzen Anbieter und Unternehmen bislang vor allem auf interne Prozesse und Lösungen.

m&w: Was für neue Erkenntnisse hat Ihre Studie gebracht und wo sehen Sie akuten Handlungsbedarf?

Oliver Lummer: Zunächst trägt unser Report dazu bei, ein differenziertes Verständnis der Akteure und digitalen Weiterbildungsplattformen im regionalen Ökosystem zu erhalten. Im Hinblick auf die Herausforderungen einer nutzer- und qualitätsorientierten Gestaltung des digitalen Lernens braucht es aus unserer Sicht zum einen die Befähigung von Trainern und Fachkräften, die noch keine Experten des digitalen Lernens sind, zur Entwicklung guter digitaler und hybrider Weiterbildungsangebote. Daneben sollte es verstärkt digitale Möglichkeiten der kollaborativen Zusammenarbeit im Aufbau von neuen Bildungsangeboten geben. Wenn wir über die technisch-wirtschaftliche Gestaltung des zukünftigen Weiterbildungsraums OWL sprechen, muss man zunächst die unterschiedliche Ausgangssituation bei den Unternehmen berücksichtigen: Kleinere Unternehmen haben bislang häufig keine digitale Lerninfrastruktur, weshalb sie beim Einstieg in die Nutzung von digitalen Lernplattformen unterstützt werden sollten. Lernplattformen kristallisieren sich als Ermöglicher des im Kontext der digitalen Transformation notwendigen Wandels der Lernkultur heraus. Bei Untätigkeit droht sich die Kluft zwischen KMU und Großunternehmen im Bereich einer modernen Aus- und Weiterbildung zu vergrößern. Vor dem Hintergrund einer wachsenden Bedeutung von Weiterbildungsplattformen sind Anbieter gefordert, sich in diesem neuen Umfeld gut zu positionieren. Um dies zu erleichtern, sollten in OWL Strukturen aufgebaut werden, welche die Sichtbarkeit und den Austausch von Lernangeboten unter regionalen Akteuren befördern.

m&w: Wo sehen Sie die digitale Weiterbildungslandschaft in OWL in den nächsten fünf Jahren?

Oliver Lummer: In fünf Jahren kann OWL in dieser Hinsicht einen großen Schritt machen. Wenn die gute Ausgangsbasis und die bestehenden Netzwerke in der Region effektiv genutzt werden, kann OWL auch im Sinne einer modernen Aus- und Weiterbildungslandschaft eine Vorreiterrolle einnehmen. Ein wichtiger Baustein dafür sind hochwertigen digitale, hybride und Vor-Ort Weiterbildungsangebote, die für die Breite der Beschäftigten zur Verfügung stehen. In einer stärkeren Kooperation und Vernetzung der Akteure liegen für uns noch große Potenziale, um das bestehende Angebot noch weiter auszubauen. Zum Beispiel kann hier die Expertise der staatlichen Hochschulen in OWL für die Weiterbildung stärker als bisher erschlossen werden. Wenn auch die technisch-wirtschaftlichen Rahmenbedingungen verbessert werden, werden sich auch die Zugangsmöglichkeiten für Beschäftigte vereinfachen und sie werden passende Weiterbildungsangebote leichter finden. Unzweifelhaft ist für mich jedoch auch, dass diese Anstrengungen nur dann einen langfristigen Effekt haben, wenn immer mehr Unternehmen eine moderne Lernkultur im Arbeitsalltag etablieren. Die besten Angebote und die intelligentesten Plattformen bringen wenig, wenn die Beschäftigten nicht die Freiräume haben, diese auch zu nutzen.  

KONTEXT
Oliver Lummer studierte Wirtschaftspädagogik an der Universität Paderborn. Seit 2021 arbeitet er als wissenschaftlicher Mitarbeiter am Fraunhofer IEM in Paderborn und ist dort Experte für Weiterbildungsthemen. Sein Forschungsschwerpunkt liegt im Rahmen des Projektes Weiterbildung 4.OWL insbesondere in der Entwicklung innovativer digitaler Lösungen im Bereich der beruflichen Weiterbildung. Die Studie „Weiterbildung und Digitale Transformation in OWL: Status Quo und Perspektiven für Unternehmen, Anbieter und Intermediäre“ steht auf www.weiterbildung4owl.de zum Download bereit.

Weitere Informationen: oliver.lummer@iem.fraunhofer.de

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