Die junge Unternehmergeneration: Alte Werte, neue Kultur

In den nächsten Jahren übergeben zahlreiche Unternehmer ihren Betrieb aus Altersgründen an einen Nachfolger. Die junge Generation steht bereit, setzt aber andere Impulse. Was sie antreibt.

Für Tobias Picker war schon sehr früh klar, dass er einmal in die Fußstapfen seines Vaters tritt. Der Gedanke, Verantwortung zu übernehmen, Entscheidungen zu treffen und etwas in Bewegung zu bringen, motivierte ihn. Mit 23 Jahren ist er diesem Ziel sehr nahegekommen. Damals übernahm er die Leitung des Unternehmens, das sich auf den Zukunftsmarkt erneuerbare Energien spezialisiert hat. Schon drei Jahre später gehörte es ihm. Das Bestehende bewahren, eigene Impulse zu setzen und Neues zu wagen, ist ihm bis heute ein besonderes Anliegen.

Das war auch für Hanna Grau eine entscheidende Motivation, als sie ihrem Vater nachfolgte. Seinen Wissens- und Ideenschatz zu erhalten und gleichzeitig neue Wege zu gehen und das Unternehmen auf eine erfolgreiche Zukunft auszurichten, das war ihr Antrieb. Im Rahmen ihres Nachfolgeprozesses verlieh die junge Chefin den schon bestehenden Unternehmenswerten Offenheit, Wertschätzung und Selbstverantwortung einen neuen Stellenwert und verwirklichte ihre Vision von einem Begegnungs- und Arbeitsort.

Die Bereitschaft junger Menschen, Verantwortung für ein Unternehmen zu tragen, ist groß. Das belegt die seit Jahren in regelmäßigen Abständen durchgeführte Studienreihe der Stiftung Familienunternehmen.

„Die junge Generation ist entschlossen, Verantwortung im Unternehmen zu übernehmen. 71 Prozent der Befragten sehen es als wahrscheinlich an, dass sie bis zum 40. Geburtstag Geschäftsführer des Familienunternehmens sein werden und damit die Firmennachfolge in einer operativen Schlüsselposition antreten“, so die aktuelle Untersuchung.

In der Analyse der Werthaltungen sowie der Zukunftspläne werde deutlich, dass die junge Unternehmergeneration zwar ihren Wurzeln, der Tradition und dem Bestehenden einen hohen Stellenwert einräume, aber auch neue unternehmerische Impulse setzen möchte.

Die Motivation, den Eltern zu folgen, ist der Studie zufolge in den vergangenen zehn Jahren im Mittel deutlich um 91 Prozent angestiegen. Die Wissenschaftler machen zudem ein wachsendes unternehmerisches Selbstbewusstsein der jungen Nachfolger aus. Gut 80 Prozent sind zuversichtlich, dass eine von ihnen geführte Firma langfristig Erfolg hat. Das hat auch Isabell Ambrosy in ihren Coachings festgestellt.

„Die junge Generation scheut sich nicht, Verantwortung zu übernehmen. Sie hat jedoch eine andere Vorstellung und sieht in einer aus mehreren Mitgliedern bestehenden Geschäftsführung und im Teilen von Verantwortung eine gute Option“, sagt die Bielefelderin, die beobachtet hat, dass potenzielle Nachfolgekandidaten gerne mit einem starken Führungsteam an den Start gehen. „Oftmals sehr zur Überraschung der Vorgängergeneration“, so Ambrosy.

Diese andere Sicht auf die Übernahme und das Teilen von Verantwortung ist nur ein Unterschied der sogenannten „NextGen“ zur „älteren“ Generation, die sich in den nächsten Jahren in den Ruhestand verabschiedet. Diese jungen Frauen und Männer, die in den Jahren 1980 bis 1995 Geborenen und der Generation Y zugeordnet werden, verkörpern andere Einstellungen und Werte, andere Arbeitshaltungen und Kommunikationsvorlieben. Die Gründe liegen auf der Hand: Die demografische Entwicklung, der technologische Fortschritt, die Digitalisierung und ein Leben in Wohlstand, aber auch die Globalisierung, die Bedrohungen der Umwelt und der Klimawandel haben ihre Spuren hinterlassen und die Biografien dieser Generation geprägt.

„Die Vernetzung mit anderen ist zum Beispiel ein großes Thema und das führt dazu, dass sich auch die Kommunikation ändert“, sagt Isabell Ambrosy, selbst der Generation Y zugehörig. „Diese Themen beschäftigten unsere Eltern noch nicht“, so die Spezialistin für generationenspezifische Werte.

Der Wandel der Arbeit, die Möglichkeit, zu jeder Zeit und an jedem Ort tätig zu sein, sei heute für viele junge Menschen eine Bedingung, um sich für einen Job im Unternehmen zu entscheiden.  „Junge Chefs und Chefinnen werden mit diesen Wünschen besser umgehen als ihre Vorgänger, Führen auf Distanz ist für sie eher kein Problem. Ich beobachte in den Unternehmen ein großes Interesse an dieser Thematik, das Corona-bedingt an Fahrt aufgenommen hat. Führung neu zu verstehen und zu erlernen, ist gerade für viele Verantwortliche der mittleren und älteren Generation eine neue Herausforderung und kann mit Blick auf die jungen Nachfolger Konfliktpotenzial bergen.“

Die Werte bleiben, die Kultur verändert sich

Nicht nur für Jungunternehmer Tobias Picker ist das Team und die Zusammenarbeit auf Augenhöhe eine wichtige Basis für den Erfolg. Die Einbeziehung bei Entscheidungen, die Übergabe von Verantwortung an die Beschäftigten, die oftmals praktizierte Duzkultur ist vielen jungen Unternehmerinnen und Unternehmern wichtig und den Zeichen für eine andere Aufstellung der Organisation. Die Verabschiedung von starren Hierarchieebenen gilt als Schlüssel für mehr Freude an der Arbeit. Anders als die Vorgängergeneration, die in der Regel Vorgaben und Ansagen gemacht hat, wo es langgeht. Das heißt nicht, dass solche Unternehmen führungslos sind. „Die junge Generation muss ihr eigenes Führungsprofil schärfen, erkennen, wo es sinnvoll ist, das Team in die Selbstorganisation gehen zu lassen oder agil zu führen“, so Ambrosy. Es könne situativ auch notwendig sein, als Vorsitzender der Geschäftsführung allein zu entscheiden, ohne lange im Team zu diskutieren. Das müsse kein Widerspruch sein, einmal als Teamplayer aufzutreten und dann die Zügel kürzer zu nehmen.

„Wenn es gelingt, als Vorbild- und Vertrauensperson aufzutreten und den Weg der transformationalen Führung zu gehen, dann folgt auch das Team und es folgt motiviert“, sagt Isabell Ambrosy.  

Auf der anderen Seite warten auch riesige Herausforderungen auf die „Jungen“ und sie spüren den Druck, eine Vielzahl von Themen beherrschen zu müssen, wie Reinhard Prügl, akademischer Leiter des Instituts für Familienunternehmen an der Zeppelin Universität, betont. Immer häufiger würden sie im Zeitalter der Digitalisierung als Erfolgsgarant für das Unternehmen gesehen, nur weil sie Digital Natives seien. Dabei wüssten sie oft gar nicht, wie sie all die Zukunftsthemen jonglieren sollten, weil ihnen die Rollenvorbilder fehlten. Der Wissenschaftler plädiert deshalb dafür, mehr auf die gezielte Qualifizierung zu setzen. 

Und in der Tat steht die Digitalisierung ganz oben auf der Agenda. Die Entwicklung digitaler Lösungen und neuer Geschäftsmodelle ist eine der wichtigsten Aufgaben, denen sich die junge Unternehmergeneration stellen muss. Und das nicht allein, sondern gemeinsam mit anderen. Mit Offenheit anderen Partnern gegenüber suchen viele den Kontakt zu anderen Unternehmen und in die Startup-Szene.

„Netzwerke außerhalb des Unternehmens aufzubauen, um sich Inspiration zu holen und sich so für die Zukunft stark aufzustellen, ist für junge Verantwortliche eine wichtige Option“, sagt Isabell Ambrosy.

Gerade Startups könnten für frischen Wind in etablierten Unternehmen sorgen. Das praktiziert auch Jungunternehmer Felix Fiege, gemeinsam mit seinem Cousin in fünfter Generation für den Logistiker Fiege verantwortlich. „Die Herausforderungen, vor denen wir stehen, werden und müssen wir nicht alleine bewältigen können“, sagt Felix Fiege, Sie seien immer auf der Suche nach Ideen und Lösungen, die perspektivisch das Potenzial haben, die Logistikbranche zu revolutionieren.

Eine weitere, von der Vorgängergeneration übernommene „Erbschaft“ ist der Fachkräftemangel, der nach Lösungen verlangt. Wie schafft man es, gute Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu rekrutieren und dauerhaft zu binden? Wobei die jungen Verantwortlichen ganz im Sinne der Generation Y Arbeit mit anderen Augen als ihre Väter und Mütter sehen. Sie sei nicht mehr alles, müsse sinnstiftend sein und sie dürfe nicht ausschließlich das Leben prägen, betont Wertespezialistin Ambrosy.

„Arbeit und Privatleben in Balance zu bringen, gilt als selbstverständlich. Anders als die Elterngeneration, für die das Unternehmen an erster Stelle steht und die Familie oft zurückstehen muss, versuchen junge Chefinnen und Chefs auch private Bedürfnisse in den Alltag zu integrieren und auch schon mal am Nachmittag zur Theateraufführung des Nachwuchses in die Schule gehen“, so Ambrosy.

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