Das familiengeführte Unternehmen Tedima hat sich auf die Entwicklung, Konstruktion, Produktion und den Service in der Dichtungstechnik spezialisiert. Kunden aus der chemischen, pharmazeutischen sowie Lebensmittel- und Maschinenbauindustrie schätzen die Innovationsstärke des Mittelständlers, der seit Jahren mit der Fachhochschule Münster kooperiert. Die hier entwickelte und patentierte 3D-Dichtung hat Tedima bereits im Einsatz. Im Interview sprechen Dietmar Siebler, Direktor globaler Vertrieb und technischer Support, und Professor Dr. Alexander Riedl, Center of Sealing Technologies an der FH Münster, über ihre Zusammenarbeit.
m&w: Ihr Unternehmen ist Spezialist für Wellenabdichtungen. Welche Funktionen haben diese und wo werden sie eingesetzt?
Dietmar Siebler: Unsere Wellenabdichtungen werden dort eingesetzt, wo Standarddichtungen für rotierende Bauteile, also industriell gefertigte Serienprodukte, auf Dauer keine optimale Lösung bieten können. Insbesondere dann, wenn extrem aggressive Produkte oder toxische Medien, die die Gesundheit von Menschen gefährden können, in verfahrenstechnischen Anlagen verarbeitet oder hergestellt werden, bedarf es häufig einer anderen Herangehensweise, um eine optimale Dichtungslösung zu realisieren.
Speziell die Produktion chemischer und pharmazeutischer Produkte ist extrem aufwendig und teuer, sodass lange Stillstandzeiten unbedingt vermieden werden müssen. Hier kommen nicht selten sogenannte Dichtungspatronen zum Einsatz, die schnell gewechselt und sogar in eingebautem Zustand gespült oder sterilisiert werden können. Unsere Innovationsfreudigkeit und unser Pioniergeist sind hier durchaus von Vorteil. Unsere Rotationsdichtungen finden beispielsweise Anwendung in verfahrenstechnischen Anlagen wie Rührwerken, Trocknern, Förderschnecken, Kühl- und Heizschnecken sowie Zentrifugen.
m&w: Ihr neues Produkt, eine dreidimensionale Dichtung, ist eine Erfindung der Fachhochschule Münster. Was zeichnet sie aus?
Dietmar Siebler: Für bestimmte prozessorientierte Verfahrensvoraussetzungen zur Herstellung von Chemikalien reichen aufgrund der Aggressivität der verarbeiteten Medien Stahlflansche häufig nicht aus. Aus diesem Grund werden ihre Oberflächen durch Emaillierung vor einem chemisch korrosiven Angriff geschützt. Fertigungsbedingt weisen emaillierte Bauteile Verformungen auf, die sich durch den jeweiligen Emaillierungsprozess ergeben. Das heißt, der Herstellungsprozess sogenannter Stahl-Email-Flansche führt zu undefinierten Oberflächen, die nicht mehr nachbearbeitet werden können. Das gilt auch für Flanschunebenheiten, woraus sich ein signifikantes Problem bei der Abdichtung ergibt. Bisher stand dem Markt keine betriebssichere, zuverlässige und montagefreundliche Dichtung zur Verfügung. Um diese Marktlücke zu schließen, wurde eine Lösung entwickelt, die alle Kriterien und Erfordernisse des Marktes für diese Anwendungsfälle erfüllt.
Um alle Dichtungsprobleme mit einer einzigen Lösung zu beseitigen, wurde ein dreidimensionales System entwickelt, das bereits im nicht verpressten Zustand den Unebenheiten der Stahl-Email-Flansche und allen Flanschen mit großen Formabweichungen in Form einer Linienberührung folgt. Hier reichen bereits geringste Schraubenkräfte aus, um sicher abzudichten. Die zusätzlich zur Verfügung stehende Schraubenkraft erhöht daraufhin die Dichtheit und reduziert gleichzeitig deutlich die Gefahr unzulässig hoher Leckagen, ausgeblasener oder eingesaugter Dichtungen oder Verletzungen der Email-Schicht.
m&w: Herr Professor Riedl, wo lag die besondere Herausforderung, eine Dichtung zu entwickeln, die in der Lage ist, große Unebenheiten zu überbrücken?
Alexander Riedl: Apparate aus Stahl-Email (Stahl mit einem Überzug aus Stahl) werden zum Schutz des Stahls vor Korrosion bei sehr hohen Temperaturen mit einer Glasschicht überzogen. Diese Erhitzung führt dazu, dass sich die Bauteile verziehen, wodurch Unebenheiten von mehreren Millimetern auftreten können. Eine Dichtung muss diese Unebenheiten sicher ausgleichen können. Die bisher am Markt verfügbaren Dichtungen werden schlechter, je größer die Unebenheiten sind. Sehr große Unebenheiten (etwa > 6 mm) können gar nicht mehr ausgeglichen werden, was dazu führt, dass diese Apparate „verschrottet“ werden müssen. Mit der 3D-Dichtung ist es dagegen möglich, beliebige Unebenheiten bei gleichbleibender Abdichtqualität auszugleichen.
m&w: Wie sind Sie vorgegangen, um eine Lösung zu finden?
Alexander Riedl: Letztlich sind wir wie beim Zahnarzt vorgegangen, der ein Inlay für einen Zahn herstellt. Im ersten Schritt haben wir die Unebenheit der Dichtverbindung bestimmt, beispielsweise mittels eines 3D-Scanners. Die Daten werden in ein digitales 3D-Modell überführt, aus dem sich dann eine ideale Dichtgeometrie ableiten lässt. Diese enthält dann bereits die Unebenheiten der Dichtverbindung. Aus dem 3D-Modell wird dann eine CNC-Datei erstellt, mit der beispielsweise aus dem Vollen eine Dichtung gefertigt werden kann, welche bereits bei geringsten Kräften sich mehr oder minder ideal an die Dichtfläche anpasst, also wie ein Zahnersatz (Inlay) sich dem „Restzahn“ anpasst.
m&w: Welche Vorteile bieten dreidimensionale Dichtungen in der Anwendung?
Dietmar Siebler: Neben dem bereits erwähnten Ausgleich sehr großer Unebenheiten der Flanschoberflächen punktet die zuverlässige Dichtverbindung auch unter Sicherheitsaspekten, da sie bei einem Ausfall sowohl bei Vakuum als auch bei Überdruck funktionsfähig bleibt. Ebenfalls ist die chemische Resistenz durch den Einsatz hochwertiger PTFE-Werkstoffe sehr gut. Weitere Pluspunkte sind der Nachhaltigkeitsaspekt und der damit einhergehende Schutz der Umwelt sowie die Schonung von Energie- und Rohstoffressourcen dank des wirtschaftlich optimierten Umgangs.
m&w: Wie lange kooperieren Sie schon und wie ist der Kontakt entstanden?
Alexander Riedl: Tedima ist ein langjähriger Partner der FH Münster. Seit etwa 18 Jahren haben wir mehrere, kleinere Projekte durchgeführt, beispielsweise zum Nachweis der TA Luft-Konformität von Dichtmaterialien.
m&w: Wie beurteilen Sie im Rückblick die gemeinsame Kooperation und wo sehen Sie den Mehrwert in einer interdisziplinären Zusammenarbeit?
Dietmar Siebler: Hier möchte ich ein Zitat vom „Welttag des Geistigen Eigentums“ sprechen lassen: „Wenn „Geistiges Eigentum“ aus der Anonymität des persönlichen Wissens in die Transparenz der öffentlich nutzbaren Verwertbarkeit gehoben wird, ist Innovation Realität und wirtschaftlicher Erfolg fassbar geworden.“
Unsere Kooperation mit der FH Münster zeigt, dass Wissenschaft und Industrie im Schulterschluss die technologieintensive Zukunft eines Landes prägen und die wirtschaftliche Entwicklung fördern können.
Durch den Technologietransfer konnten wir unsere Reputation im Markt weiterhin ausweiten. Derartige Projekte sind hilfreich, um Unternehmenserfolge zu steigern, Arbeitsplätze zu schaffen und so die Zukunft unseres Unternehmens zusätzlich zu sichern.
m&w: Was empfehlen Sie Unternehmen im Hinblick auf eine mögliche Kooperation mit einer Hochschule?
Dietmar Siebler: Ich kann nur empfehlen, mit Hochschulen zu kooperieren, weil es hier ideale Möglichkeiten gibt, neues Wissen zu erlangen, sich weiter zu entwickeln, die Zukunft mitzugestalten und gemeinsam erfolgreich zu sein. Unternehmen sind permanent gefordert, offen für Weiterentwicklungen und Verbesserungen zu sein, weil der Markt es erfordert, Anforderungen sich ändern und neue Vorgaben und Richtlinien umzusetzen sind.
m&w: Was ist für Ihre Arbeit im Hinblick auf die Kooperation mit einem Partner-Unternehmen wichtig, um eine erfolgreiche Problemlösung zu entwickeln?
Alexander Riedl: Der Partner muss die Technik verstehen und in der Lage sein, mit Unterstützung von wissenschaftlichen Einrichtungen, wie beispielweise der FH Münster Ideen und Prototypen in ein kommerziell verwertbares Produkt weiter zu entwickeln. Außerdem sollte das neue Produkt eine Ergänzung zum Produktportfolio des Partners sein, um einen leichten Markteintritt zu ermöglichen.
Das Interview ist Teil unserer Serie, in der wir in Kooperation mit der PROvendis GmbH über die erfolgreiche Zusammenarbeit von Wissenschaft und Wirtschaft berichten.