Die fünfte Hinterland of Things Conference hat wieder Eindruck hinterlassen. Über 1.500 Menschen und 120 Speaker kamen im Lokschuppen zusammen, um über die Themen der Zukunft zu sprechen und Brücken zu bauen.
Mitte Juni schauten wieder alle nach Bielefeld: Unternehmer, Startups und Investoren aus ganz Deutschland. Die mittlerweile fünfte Hinterland of Things Conference zieht alljährlich das Interesse vieler auf sich, weil das Leuchtturm-Event der Startup-Schmiede Founders Foundation begeistert.
„Wir schaffen es mindestens einmal im Jahr die Region auf die Landkarte zu bringen und von der Technologie- und Innovationsszene europaweit gesehen zu werden“, zeigt sich Dominik Gross, Geschäftsführer der Founders Foundation, ein wenig stolz über den weitreichenden Impact.
Und da scheuen auch Speaker und Interessierte aus Paris und London nicht den Weg nach Ostwestfalen-Lippe – ins deutsche Hinterland, weil sie neugierig sind, was hier geschieht. Viele der angereisten Gäste waren noch nie in Bielefeld. Sie sorgen dafür, dass alle Hotels der Stadt ausgebucht sind und freuen sich darauf, was sie hier im alten Lokschuppen unweit des Bielefelder Hauptbahnhofs erleben werden. Einige von ihnen haben interessante Ideen mitgebracht, andere bieten wertvolle Kontakte, aus denen sich Aufträge oder gar entscheidende Finanzierungsrunden ergeben.
Sina Kämmerling, Gründerin des Startups FINDIQ, hat an diesem Tag wenig Zeit. Sie hat im Vorfeld viele Termine mit Unternehmern und Investoren gemacht. Für sie ist die Hinterland of Things Conference eine ideale Möglichkeit, potenzielle Kunden für ihr junges Unternehmen, das Serviceleistungen für die Maschinenbaubranche anbietet, zu begeistern. Kämmerling und ihr Mitgründer Patrick Deutschmann haben einen neuartigen Ansatz entwickelt, Wissensmanagement und Assistenzsystem für den Maschinenservice intelligent zu integrieren. Die beiden sind zufrieden. Erst vor einigen Wochen konnten sie eine Seed-Finanzierungsrunde erfolgreich abschließen. Die eine Million Euro soll für das Wachstum ihres im letzten Jahr gegründeten Unternehmens verwendet werden.
Einen Investor gefunden hat auch das Startup green account, das den ersten digitalen Marktplatz für Ausgleichsflächen und Ökopunkte geschaffen hat. Die Plattform unterstützt Bauherren, die für die Errichtung von Gebäuden oder die Schaffung von Straßen eine Ausgleichsfläche suchen. In Deutschland sind die Verursacher von Eingriffen in Natur und Landschaft gesetzlich dazu verpflichtet.
Noch weniger bekannt ist das zweite Geschäftsmodell der Bielefelder, das Unternehmen adressiert, die aus Verantwortung und Überzeugung in Naturkapital, also in Wiesen und Äcker, investieren möchten. Die Vision des jungen Startups, das seit zwei Jahren am Markt ist: Flächen unmittelbar vor Ort in lebendige Ökosysteme zu verwandeln, brachliegende und nasse Wiesen oder freie Seitenflächen entlang eines Bachlaufs zu nutzen, um dort Streuobstwiesen anzulegen. Die drei Gründer, deren Wurzeln in der Land- und Forstwirtschaft liegen, haben bereits ein gutes Netzwerk zu den Landwirten aufgebaut und treten ihnen auf Augenhöhe entgegen. Schließlich müssen sie die Landbesitzer überzeugen, ihre Flächen für die Nutzung zur Verfügung zu stellen.
„Der Landwirt muss seine Wiesen und Äcker nicht verkaufen. Er stellt die Fläche, die wenig ertragreich für die Lebensmittelproduktion ist, für eine vertraglich festgelegte Zeit zur Verfügung und praktiziert so maximalen Naturschutz, der letztendlich der gesamten Gesellschaft zugutekommt“, beschreibt Max von Sandrart das Konzept.
Der Gründer, der gemeinsam mit Trutz von der Trenck und Johann Meyer zu Bentrup das junge Unternehmen führt, ist überzeugt, dass gerade jetzt der richtige Zeitpunkt ist, Geld in die Hand zu nehmen, um in lokale Naturräume zu investieren. „Dieses Kapital ist die Wertanlage der Zukunft. Wir gehen davon aus, dass Naturkapital künftig eine attraktive Assetklasse ist. Das ist ein Upcoming-Markt, der sich noch in einem frühen Stadium befindet“, so Trutz von der Trenck.
Begeistern konnten die jungen Gründer bereits Christian Hülsewig, Geschäftsführer des Gütersloher Startups Schüttflix, der sein Investment aus voller Überzeugung tätigte. Da ihm der Erhalt der Artenvielfalt ein ganz besonderes Anliegen ist.
„Es geht nicht nur darum, CO2 zu reduzieren, indem wir Zertifikate kaufen, die im Grunde genommen nur moderner Ablasshandel und Marketing at it´s best sind. In den Naturraum vor Ort zu investieren, das ist viel greifbarer und hochgradig sinnvoll, weil davon auch nachfolgende Generationen profitieren“, sagt Hülsewig.
Für ihn ist das Geschäftsmodell von green account eine ideale Chance, den Naturraum aufzuwerten. „Der Blick in die Landschaft zeigt eine Vielzahl an Brachflächen, die aus Biodiversitätsgründen besser genutzt werden könnten“, sagt der Schüttflix-CEO, der nicht nur finanziell unterstützt, sondern auch den regelmäßigen Austausch mit den Gründern sucht. Er selbst, der 2018 in die Selbstständigkeit startete, weiß, wie wichtig es ist, Investoren zu überzeugen. In David Fischer von HV Capital hat der Unternehmer einen Unterstützer gefunden, der schnell von seinem Geschäftsmodell Leerfahrten von LKW in der Baubranche zu vermeiden, zu überzeugen war. Für ihn hat Schüttflix enormes Potenzial. Das habe die Entscheidung für ein Investment leicht gemacht, betont Investor Fischer. Der überaus begeistert ist von der Region, die er vor einigen Jahren überhaupt noch nicht kannte.
Vom besonderen Spirit und der Atmosphäre der Hinterland lassen sich alljährlich auch zahlreiche etablierte Mittelständler in den Bann ziehen. Jen-Hendrik Goldbeck vom größten Familienunternehmen der Baubranche ist regelmäßig vor Ort, die Zusammenarbeit mit Startups ist für den Bielefelder selbstverständlich. Wie viele andere treibt auch ihn um, wie es gelingt, in einer komplexen Wirklichkeit erfolgreich zu sein.
„Wir brauchen ein inneres Bild unserer zukünftigen Realität“, so Goldbeck.
Für sein Unternehmen machte er deutlich, dass es einen klaren Fokus auf konkrete Fragestellungen gebe. Dazu gehören anpassbare MVPS (Minimum Viable Products), ein Gründerteam mit Erfahrungshintergrund sowie Strategien und Venture Capital (VC). „Es ist die beste Zeit, jetzt gemeinsam zu handeln“, motiviert der Unternehmer.
Hochmotiviert zeigen sich an diesem Tag viele weitere Akteure, inspiriert von den zahlreichen Gesprächen und Impulsen. Fakt ist, die fünfte Hinterland hat auch in diesem Jahr Zeichen gesetzt und Entwicklungen angestoßen, die nachhaltig ihre Wirkung entfalten. Das ist Teil des Konzepts, wie Dominik Gross betont:
„Es geht um Emotionen und das Empowerment der Menschen, das ist ganz wichtig und lässt Energie entstehen, um gemeinsam an der Zukunft zu arbeiten und Lösungen zu entwickeln.“
Neben der emotionalen Fokussierung setzt die Veranstaltung auch jede Menge rationale Impulse, denn die Hinterland ist auch eine „Deal-Making-Conference“. „Wir wissen, dass ein Startup aus der Region vor Ort einen Beteiligungsvertrag mit einem Familienunternehmen unterschrieben und so ein Investment sichergestellt hat. Solche Kooperationen geschehen häufig und werden manchmal erst später nach außen kommuniziert. Immer wieder hören wir von Unternehmen, die hier neue Talente gefunden und eingestellt haben“, so Dominik Gross. Und es gibt zahlreiche Beispiele, die zeigen, wie Kooperationsprojekte auf der Konferenz ihren Anfang genommen haben. Vom Schwung des alljährlichen Leuchtturm-Events und der Arbeit der Founders Foundation hat in den vergangenen Jahren auch das gesamte Ökosystem der Region profitiert.
„Wir haben seit 2017 Fakten geschaffen. Damals gab es vier Startups in der Region, heute sind es 150. Davon haben wir über 70 von ihnen begleitet“, sagt der Founders Foundation-Geschäftsführer, der nicht müde wird zu betonen, was für einen signifikanten Wirtschaftsfaktor diese Startups mittlerweile haben:
„Die jungen Unternehmen beschäftigen im Durchschnitt 15 Mitarbeiter und leisten einen beachtlichen Beitrag an Technologieinnovationen.“
Außerdem habe sich im Windschatten der Founders Foundation mittlerweile ein Klima entwickelt, dass Gründungen von Startups beschleunigt habe, sodass ein Innovationsökosystem entstehen konnte. „Diese Entwicklung hat auch dazu geführt, dass sich die Familienunternehmen in der Region Schritt für Schritt geöffnet und gehandelt haben“, so Gross. Miele hat zum Beispiel einen hauseigenen Inkubator für interne Startups geschaffen, um Ideen schneller zu verwirklichen. Phoenix Contact investiert mit der unternehmenseigenen Phoenix Contact Innovation Ventures GmbH europaweit in Startups. Außerdem hat das Familienunternehmen ein eigenes Startup aufgebaut. Für Dominik Gross eine überaus positive Entwicklung, die auch auf die Arbeit der Founders Foundation zurückzuführen ist.
Einen weiteren positiven und im wahrsten Sinne nachhaltigen Akzent setzten die Visionäre von green account noch auf der Hinterland. Sie verkündeten, dass sie ein echtes „Hinterland-Biotop“ im Osten Bielefelds entstehen lassen. Auf einer 3.500 Quadratmeter großen Fläche, die HV Capital als Sponsor zur Verfügung stellt, sollen Streuobstwiesen, Hecken und Waldflächen wachsen und gedeihen. Ein Naturraum mit unterschiedlichen Lebensräumen, dessen Entwicklung permanent beobachtet werden kann.
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