Die Nachhaltigkeitstransformation ist die nächste große Herausforderung für die Industrie. Mit der neuen Strategie Industrie.Zero will der Spitzencluster it’s OWL neue Technologien und Anwendungen entwickeln, mit denen Unternehmen ihre ökologische, ökonomische und soziale Nachhaltigkeit stärken können. Wie der Weg dorthin aussieht, erklärt it’s OWL-Geschäftsführer Günter Korder.
m&w: Herr Korder, Sie haben vor kurzem die neue Strategie „Industrie.Zero“ vorgestellt, mit der in der Industrie eine nachhaltige Wertschöpfung durch Intelligente Technische Systeme vorangetrieben werden soll. Können Sie die Strategie kurz skizzieren?
Günter Korder: Mit unserer neuen Strategie ‚Industrie.Zero‘ wollen wir aufzeigen, dass eine wirtschaftsstarke Region wie Ostwestfalen-Lippe als Modellregion für nachhaltige Produkte und Produktion entlang der kompletten Wertschöpfungskette agieren kann. Wir haben alle erforderlichen Kompetenzen, um nachhaltige Produkte zu entwickeln und diese dafür einzusetzen, wesentliche Beiträge für eine nachhaltige Produktion zu leisten. Das geht weit über das Erfüllen reiner Klimaziele hinaus und beinhaltet sowohl ökologische als eben auch ökonomische und soziale Aspekte. Nur wenn diese drei Fragestellungen in einem vernünftigen Verhältnis zueinanderstehen, können wir eine nachhaltige Wertschöpfung erzielen. Dabei setzen wir auf unsere ausgewiesene technische Kompetenz, die wir nun zur Erreichung der ambitionierten Klima- und Nachhaltigkeitsthemen nutzen. Es handelt sich also um eine konsequente Weiterentwicklung unserer bisherigen Strategie.
m&w: Wo liegen die größten Stellschrauben, die zu mehr Klimaneutralität in Unternehmen führen können?
Günter Korder: Natürlich können oft schon einfache Maßnahmen große Einspareffekte bringen. Die größten Stellschrauben sind allerdings im Bereich der Produktentwicklung zu finden: Wenn ein Produkt von Anfang an so konzipiert wird, dass es ressourcenschonend produziert werden kann, ist dies gut für unsere Klimaziele und ein wesentlicher Aspekt im Hinblick auf Zirkularität. Alles, was nicht von Beginn an mitgedacht wird, kann später ein Hindernis sein. Das zeigt die Bedeutung dieses ersten Schritts im Produktlebenszyklus. Und dann gibt es natürlich Möglichkeiten in der Produktion selbst: Auch hier kann über energieeffiziente Produktionsmaschinen und optimierte Prozesse sehr viel Einsparpotenzial im Sinne von Nachhaltigkeit erschlossen werden. Unternehmen denken oft auch unternehmensübergreifend über gemeinsame Standorttransformationsprojekte nach. Dies hat den Charme, dass Dinge ganzheitlich gedacht werden.
m&w: Wie analysiert man die Einsparpotenziale und welche Tools stehen Unternehmen zur Verfügung?
Günter Korder: Es gibt natürlich verschiedene Ansätze. Um Einsparungen überhaupt messen zu können, muss zu Beginn erst einmal die Ausgangsbasis bestimmt werden. Dies ist in der Regel – zum Beispiel bezogen auf Energieverbrauch – relativ problemlos zu gestalten. Schwieriger wird es, wenn Themen der Zirkularität ganzheitlich betrachtet werden sollen. Dazu ist in der Regel ein längerer Prozess erforderlich, um neue Lösungsmöglichkeiten identifizieren zu können.
m&w: Experten betonen, dass Wettbewerbsfähigkeit und Nachhaltigkeit zukünftig identisch sind. Was bedeutet das im Hinblick auf die künftige Ausrichtung der Unternehmensstrategie und des Geschäftsmodells?
Günter Korder: Es ist klar, dass Unternehmen zukünftig ohne eine klare Nachhaltigkeitsstrategie kaum mehr dauerhaften Markterfolg haben werden. Dies gilt für B2C-Unternehmen gleichermaßen wie für B2B-Unternehmen. Insofern ist der Druck auf Marktteilnehmer allgegenwärtig. Deshalb ist eine Verankerung der Nachhaltigkeitsziele in der Unternehmensstrategie essenziell, um die Durchsetzung in den Unternehmen sicherzustellen. Wir erwarten, dass immer mehr Unternehmen die erreichten Nachhaltigkeitsziele nutzen werden, um sich von Marktbegleitern zu differenzieren. Der Markt wird diese Entwicklung weiter forcieren. Es ist wichtig zu erkennen, dass sich die Unternehmen in sehr unterschiedlichen Phasen befinden können, so dass eine zügige Transformation des Geschäfts überlebenskritisch werden könnte, wobei der zeitliche Horizont sehr unterschiedlich sein kann und auch sein wird. Wir sind jedoch davon überzeugt, dass alle Unternehmen diesen Weg gehen müssen.
m&w: Sie haben bereits einige Projekte angestoßen, die zeigen, dass mehr Nachhaltigkeit umsetzbar ist. Können Sie ein Beispiel nennen?
Günter Korder: Das Projekt ‚Climate-neutral Business in OWL‘ (Climate bOWL) unterstützt Unternehmen beispielsweise auf dem Weg, ihre Energieeffizienz zu optimieren. Die Kilowattstunde, die nicht aufgebracht werden muss, stößt keine Treibhausgase aus und verursacht keine Kosten. An diesem Punkt setzt das Projekt an. Bis 2025 entwickeln die Universitäten Paderborn und Bielefeld mit den Unternehmen GEA, Miele, NTT DATA und Phoenix Contact ein intelligentes Assistenzsystem, das Unternehmen unterstützt, ihre Treibhausgasemissionen entlang der Wertschöpfungskette zu reduzieren.
m&w: Für die Bewältigung der neuen Herausforderungen benötigen Unternehmen hoch qualifizierte Menschen. Was ist hier konkret geplant, um mehr Fachkräfte in die Region zu holen?
Günter Korder: Generell möchten wir Arbeitskräfte allgemein, wobei ein großer Teil davon Fachkräfte sind, für Ostwestfalen-Lippe begeistern. Dafür müssen wir als Region Voraussetzungen schaffen, dass junge Menschen, die aus der Ausbildung kommen oder ein Studium absolviert haben, frühzeitig entdecken können, was für eine tolle Unternehmer-Region OWL ist. Wir haben hier so viele marktführende Unternehmen, dass es sich echt lohnt, eine Karriere in OWL anzustreben. Um dies noch offensiver in Deutschland und dem europäischen Ausland zu kommunizieren, planen wir ein unternehmensübergreifendes Trainee-Programm, um Absolventen die Gelegenheit zu geben, in verschiedene Branchen bei Unternehmen reinzuschnuppern. Wir planen auch eine internationale Summer School, die Themen des Clusters behandelt und internationale Absolventen für die Region begeistern soll. Zudem entwickeln wir Modelle, bei denen die zukünftigen Mitarbeitenden gerne an ihrem Ursprungsort bleiben können und möglicherweise nur über hybride Arbeitsmodelle mit dem neuen Arbeitgeber zusammenarbeiten werden. Die Zeiten, in denen Menschen für einen Job einfach umziehen, sind in manchen Branchen einfach vorbei. Für uns ist es wichtig zu erkennen, wo wir Talente finden und wie wir sie mit ihren Kompetenzen für uns gewinnen können. Wir sehen dies als Chance, die wir über die Strahlkraft des Clusters sicher nutzen werden.