Institut für Kunststoffwirtschaft (ikuowl): Produkte mit hoher Variantenvielfalt

Die kunststoffverarbeitende Industrie ist ein wichtiger Wirtschaftsfaktor in der Region. Neben den Faktoren Demografie und Rohstoffmärkte stellt auch die Digitalisierung die Branche vor besondere Herausforderungen. Carsten Kießler, Leiter des Instituts für Kunststoffwirtschaft (ikuowl) mit Sitz in Lemgo, über die aktuelle Lage und Handlungsbedarfe.

Die Digitalisierung stellt Unternehmen aller Branchen vor große Herausforderungen. Wie ist der Entwicklungsstand in der kunststoffverarbeitenden Industrie im Vergleich zu anderen Branchen in der Region?

Carsten Kießler: „Oftmals schrecken die technologischen Hürden davon ab, sich mit dem Thema Digitalisierung zu beschäftigen.“ Foto: ikuowl

Carsten Kießler: Zunächst müsste sicherlich erst einmal geklärt werden, was genau unter Digitalisierung verstanden wird. Der durchschnittliche mittelgroße ostwestfälisch-lippische Kunststoffverarbeiter hat da sicherlich eine andere Sichtweise, als diejenigen, die unter dem Begriff Industrie 4.0 etwas vermarkten wollen.  Oftmals wird die Nutzung von IT (Excel, ERP, MES usw.) in den Betrieben schon als Variante der Digitalisierung verstanden. Von verketteten Prozessen, Big Data und Internet of Things ist man meist noch weit entfernt. Nicht zuletzt die hohen technologischen Hürden und die damit verbundenen Investitionen schrecken oft davon ab, sich mit der Thematik auseinander zu setzen.

 

Stichwort Wettbewerbsstärke, Beschleunigung von Produktinnovationen und Produktionsprozessen – Optimierung der gesamten Wertschöpfungskette: Welche Potenziale und Chancen können digitale Prozesse Unternehmen bringen?

Carsten Kießler: Besondere Potenziale liegen sicherlich in der Herstellung von Produkten mit einer hohen Variantenvielfalt und einem hohen Individualisierungsgrad. Losgröße eins wird – unter Umständen – zu Stückkosten einer Massenproduktion ermöglicht. Lagerbestände können reduziert und so Kosten gesenkt werden, Kapazitäten werden im Idealfall besser ausgelastet und die Logistik wird auf ein erforderliches Minimum beschränkt. Darüber hinaus lassen sich Entwicklungsprozesse beschleunigen und durch hochiterative Abstimmung mit den Kunden besser absichern. Betriebsintern bieten die neuen technischen Möglichkeiten ungeplante Stillstände durch technische Defekte zu vermeiden. Die Lösung liegt dabei in der kontinuierlichen Sammlung von Maschinendaten. Durch deren Auswertung ist man in der Lage, Instandhaltungsmaßnahmen in optimalen Zeitfenstern durchzuführen.

Die Digitalisierung ist ein weites Feld, neben der Optimierung interner Prozesse und der Kundenkommunikation eröffnet sie auch die Möglichkeit, neue Geschäftsmodelle zu entwickeln.

Carsten Kießler: In der Tat eröffnet die Digitalisierung neue Möglichkeiten zur Entwicklung von zukunftsweisenden Geschäftsmodellen. Hier gibt es unzählige Methoden der Herangehensweise. Neben der Erstellung der Kundenprofile geht es u.a. um die Ermittlung und Festlegung der Elemente eines Geschäftsmodells sowie um die Identifikation möglicher Treiber oder Blockierer im Rahmen der anstehenden Veränderungen. Und nicht zuletzt ist die Erarbeitung einer Roadmap mit Festlegung der Vorgehensweise ein unerlässlicher Schritt.

Was bedeutet der Digitalisierungsprozess für die Kunden – wo liegen die Vorteile hinsichtlich Produkte, Service und Qualität?

Carsten Kießler: Mit der digitalen Transformation ändern sich Kundenbedürfnisse und Kundenverhalten. Der Anteil der Kunden, die online kaufen, wird immer. Viele Unternehmen stellt das vor große Herausforderungen. So sind zum Beispiel Portale und Schnittstellen zu schaffen, die ständig aktualisiert werden müssen. Außerdem wird das Angebot transparenter und ein Angebotsvergleich leichter möglich. Im B2B-Geschäft müssen Unternehmen mit einem höheren zeitlichen Aufwand rechnen, den die Bereitstellung und Aufbereitung von Daten mit sich bringt. Im B2C-Geschäft ist insbesondere der Datenschutz ein wichtiges Thema. Insgesamt werden Services orts- und zeitunabhängig. Für Kunden ein Vorteil – für Anbieter erhöhter Aufwand.

Digitale Prozesse lassen sich nicht ohne die Beschäftigten installieren. Verfügen die Mitarbeiter über die entsprechenden Kompetenzen? Wie lässt sich neues Know-how aneignen?

Carsten Kießler: Immer kürzere Innovationszyklen zwingen umso mehr dazu, technisch „auf der Höhe“ zu bleiben. Der Begriff „lebenslanges Lernen“ gewinnt dabei immer größere Bedeutung. Unabhängig davon, über welche Kompetenzen Mitarbeiter heute verfügen, ist es erforderlich, sie ständig weiter zu entwickeln. Dabei muss auch ein besonderes Augenmerk auf die Bereitstellung von Wissen gelegt werden. Genauso, wie sich die Halbwertzeit von Wissen rapide verkürzt, ändert sich auch die Art und Weise, wie Wissen zukünftig konsumiert wird und zweckmäßigerweise von Unternehmen für Mitarbeiter bereitgestellt werden muss. Die vermehrte Nutzung von Assistenzsystemen führt dazu, das Berufsbilder sich ändern, Berufsgruppen verschwinden und andere neu entstehen. Darauf muss die Personalentwicklung im Unternehmen in besonderer Weise reagieren.

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