Der plötzliche Stillstand einer Maschine verlangt nach schnellem Handeln: Das Fraunhofer IOSB-INA will Mitarbeiter befähigen, die Fehlerdiagnose und -behebung selbst durchzuführen. Wie Assistenzsysteme bei Wartungsaufgaben helfen können.
Einsatzort Wäscherei: Präzise und reibungslos zieht die große Maschine ein Handtuch ein, sekundenschnell legt der Mitarbeiter ein weiteres nach. Wie am Fließband wird ein Wäschestück nach dem anderen erfasst und dem Mangelprozess zugeführt. Plötzlich hakt es, das Handtuch bleibt hängen, die Maschine stoppt. Auf ihrem Display erscheint eine Fehlermeldung. Der Mitarbeiter an der Maschine weiß sich zu helfen, er schaut in einem Handbuch nach, öffnet die seitliche Verkleidung der Anlage und greift zum Tablet. Es zeigt nicht nur die real vor ihm stehende Maschine, sondern auch zusätzliche Informationen zum Maschinenproblem. Ohne Zögern greift er zur Augmented (AR)-Brille und sieht die Lösung in den Raum projiziert: die Reinigung der seitlichen Lichtbänder wird empfohlen. Der Mitarbeiter folgt den Anweisungen, drückt danach den roten Start-Knopf der Maschine, die sich daraufhin wieder in Bewegung setzt.
Dass das Problem so schnell und unkompliziert behoben werden konnte, ist dem intelligenten Assistenzsystem zu verdanken. Der Einsatz von Tablet und AR-Brille hat den Mitarbeiter in die Lage versetzt, die Fehleridentifikation und -behebung ohne Hinzuziehung eines Spezialisten selbst vorzunehmen. Die Handhabung ist „kinderleicht“ und auch für Menschen ohne IT-Kenntnisse und Expertenwissen kein Problem.
Was hier geschieht, ist keine Vision, sondern in der Realität längst möglich. Bei der Herbert Kannegiesser GmbH, Spezialist für Wäschereitechnik, ist man offen für modernste Technologien, wenn es um die Wartung der Maschinen geht. In dem gerade abgeschlossenen Projekt in Kooperation mit dem Fraunhofer Institut IOSB-INA in Lemgo standen der Einsatz intelligenter Assistenzsysteme und deren Unterstützung in der Instandhaltung im Fokus. Weltweit sind die Maschinen aus Vlotho im Einsatz, bei Ausfällen müssten Servicetechniker vor Ort sein, um den Schaden zu beheben – das ist nicht nur zeitaufwändig, sondern auch teuer. Die Nutzung intelligenter Technologien damit eine gute Alternative.
Stillstandszeiten sind ein großes Problem – da läuten in den Unternehmen die Alarmglocken
Forscher am Fraunhofer Institut an der Hochschule OWL beschäftigen sich seit Langem mit der Entwicklung von Assistenzsystemen für Wartungsaufgaben. Noch ist das Produkt nicht marktreif, der Bedarf für diese Anwendungen ist jedoch vorhanden. Nächstes Ziel ist es, einen Prototyp umzusetzen und in einem weiteren Schritt eine großflächige Anwendung auf den Markt zu bringen. „Das Potenzial ist groß. Wir arbeiten daran, ein Assistenzsystem für die Instandhaltung intelligenter Maschinen und Anlagen zu entwickeln, das komplett auf der Nutzung von Tablets basiert und mit einer Standardsoftware arbeitet, um die Hürden für den Einsatz zu eliminieren. Die Kosten für die Entwicklung einer App, mit der sich dann die Reparaturanleitungen erstellen lassen, sind niedrig“, beschreibt Professor Dr. Dr. Carsten Röcker vom Fraunhofer IOSB-INA den hohen Nutzen.
Intelligente Technologien eröffnen neue Geschäftsmodelle
Maschinen werden heute immer komplexer, arbeiten schneller und werden häufiger ersetzt. Während früher Anlagen gut 20 Jahre im Einsatz waren, erfolgt heute ein viel schnellerer Austausch. Viele Unternehmen leasen Maschinen und arbeiten so mit den neuesten Technologien. Diese sind komplexer, müssen häufiger gewartet werden, was wiederum durch externe Servicetechniker erledigt wird.
„Wir möchten die Mitarbeiter an den Maschinen befähigen, die Wartung selbst durchzuführen“, so der Wissenschaftler. Wichtig sei es, eine Technologie anzubieten, die kostengünstig sei und cloud-basiert funktioniere und zudem den Maschinennutzer in die Lage versetze, einfache Fehler selbst zu beheben. „Die Abrechnung dieser Services erfolgt nach Nutzung bzw. Servicefall. Hieraus lassen sich völlig neue Geschäftsmodelle entwickeln“, beschreibt Professor Röcker.
Der Einsatz von intelligenten Assistenzsystemen in der Industrie ist für die Wissenschaftler in Lemgo ein wichtiges Forschungsfeld, weil die Nutzung solcher Technologien große Optimierungspotenziale eröffnet und zudem die Entwicklung neuer digitaler Geschäftsmodelle ermöglicht. Was langfristig die Wettbewerbsfähigkeit sicherstellt. „Viele Unternehmen in der Region sind sehr erfolgreich. Ihnen fehlt es jedoch oftmals an IT-Kompetenz. Hier können wir aktiv werden und den Mittelstand bei der Umsetzung digitaler Arbeitsprozesse unterstützen“, so Dr. Carsten Röcker.