Wie bleiben Unternehmen wettbewerbsfähig und wie lässt sich ein zukunftsweisendes Innovationsmanagement etablieren? Prof. Dr.-Ing. Iris Gräßler, Inhaberin des Lehrstuhls für Produktentstehung am Heinz Nixdorf Institut der Universität Paderborn, über innovationsfreundliche Rahmenbedingungen und welche Rolle die Digitalisierung spielt.
Frau Professor Gräßler, Stichwort Innovationsmanagement: Wie bleiben Unternehmen innovativ und welche Rolle spielt dabei die Produktentwicklung?
Dr.-Ing. Iris Gräßler: Zunächst einmal: Innovation ist keine Top-Management-Aufgabe wie oftmals angenommen wird, sondern betrifft jeden einzelnen Mitarbeitenden im Unternehmen. Dazu bedarf es jedoch einer entsprechenden Unternehmenskultur, die gefördert und aktiv gelebt werden muss. Nur dadurch gelingt es, die drei für den Erfolg notwendigen Perspektiven – technologische Umsetzbarkeit einer Produktidee, Erfüllung von Kundenanforderungen sowie Angebotslücken im Wettbewerb – ständig im Blick zu haben und zu vereinen. Als Organisation ist das Unternehmen daher gefordert, den Mitarbeitenden die entsprechenden Rahmenbedingungen, Prozesse und Anreize bereitzustellen. Um Innovationen zu entwickeln und damit langfristigen Unternehmenserfolg sicherzustellen, ist der Blick über den Tellerrand für Unternehmen unabdinglich. Dabei kommt im Innovationsprozess der Produktentwicklung eine zentrale Rolle zu. Häufig entstehen Innovationen als Ergebnis eines ingenieurwissenschaftlichen Problemlösungsprozesses. Dabei dann auch nicht die Zukunft im Sinne einer strategischen Vorausschau aus den Augen zu verlieren, ist die Kunst einer erfolgreichen Produktentstehung.
Wie wird die Digitalisierung die Produktentwicklung künftig verändern?
Dr.-Ing. Iris Gräßler: Durch die Entwicklung mechatronischer und cyber-physischer Produkte, die aus mechanischen, elektronischen und informationstechnischen Elementen bestehen und sich über das Internet der Dinge und Dienste eigenständig vernetzen, bieten sich heutzutage mannigfaltige neue Möglichkeiten. Die Methoden und Werkzeuge der Digitalisierung nehmen dabei die Rolle von Schlüsseltechnologien ein. Design-Reviews in der virtuellen Realität, die schnelle Produktion eines Prototypen mittels 3D-Druck und das Projizieren von Modellen in die reale Welt mit Hilfe von Datenbrillen sind drei Beispiele für den Einsatz digitaler Technologien, die schon heute direkt am Arbeitsplatz eines Produktentwicklers nutzbar sind. Die zunehmende Rechenleistung und verteilte Sensoren, die über das Internet der Dinge und Dienste angesprochen werden, machen das Lernen aus der Vergangenheit möglich. Dadurch können wiederum Trends für die Zukunft noch besser prognostiziert werden. Auch die disziplinübergreifende Zusammenarbeit wird sich künftig verändern, denn Datenanalysen, Informationsmanagement und Visualisierung erleichtern den Austausch untereinander.
Wie lassen sich mit KI und Virtual Reality Produkte noch schneller auf den Markt bringen?
Dr.-Ing. Iris Gräßler: In frühen Phasen des Produktentstehungsprozesses ist die Förderung der Kreativität und Innovation ein Anwendungsfeld, das vom Einsatz der VR-Technologie profitiert. Die visuelle Stimulation durch virtuelle Umgebungen bietet die Möglichkeit, Nutzer zu inspirieren und bei der Ideengenerierung zu unterstützen. Durch die Gestaltungsfreiheiten im virtuellen Raum können somit unterschiedliche visuelle Reize gesetzt werden, die im realen Raum nicht umsetzbar sind. Die Einbindung von KI führt innerhalb des Produktentstehungsprozesses zur Optimierung von notwendigen Prozessen. Besonders im Bereich der Datenerhebung werden KI-Modelle zur schnellen Identifikation relevanter Daten und Informationen eingesetzt. Letztendlich lässt sich sagen, dass durch den Einsatz von Virtual Reality und KI und der damit einhergehenden intuitiven und flexiblen Kollaboration sowie der schnellen Identifikation und Generierung innovativer Ideen der Produktentstehungsprozess extrem beschleunigt wird.