Kleineren und mittleren Unternehmen fehlt oftmals der Zugang zu Forschung und Entwicklung. Dennoch müssen sie Innovationen massiv vorantreiben, um dauerhaft wettbewerbsfähig zu bleiben. Wie das Projekt innovation2business.nrw. unterstützen kann, erklärt Dr. Heinrich Dornbusch, Geschäftsführer der PROvendis GmbH.
m&w: Als Partner des Verbunds NRW Hochschul-IP (Intellectual Property, deutsch: geistiges Eigentum) unterstützen Sie Betriebe im Rahmen des vom Land NRW geförderten Projekts innovation2business.nrw. Was sind die wesentlichen Ziele?
Dr. Heinrich Dornbusch: Das zentrale Ziel ist die Stärkung der Zusammenarbeit von Wissenschaft und Wirtschaft. Denn eine enge und vertraute Beziehung beispielsweise zwischen der Forschungsabteilung einer Hochschule und einem Unternehmen kann die Entwicklung und Umsetzung von Innovationen ganz massiv beschleunigen. Konkret heißt das: Ein Unternehmen sucht nach technischen Lösungen für ein bestimmtes Problem und weiß gar nicht, dass in einer Hochschule des Landes gerade genau daran geforscht wird. Bei innovation2business.nrw geht es darum, diese Brücken zu bauen, den Wissens- und Technologietransfer in Nordrhein-Westfalen zu erleichtern und noch ertragreicher zu machen. In der Vergangenheit haben wir auf eine lineare Verwertung von Forschungs- ergebnissen gesetzt, also Käufer und Lizenznehmer für bestimmte Lösungen und Technologien gesucht. Mit dem vom Land geförderten Projekt können wir einen Schritt weitergehen und richten den Blick vor allem auf konkrete Technologie- und Innovationsbedarfe in den Betrieben.
m&w: Welche Rolle übernimmt PROvendis und wie gehen Sie konkret vor, wenn ein Unternehmen mit einem Technologiebedarf an Sie herantritt?
Dr. Heinrich Dornbusch: PROvendis agiert als Schnittstelle zwischen den nordrhein-westfälischen Hochschulen und Unternehmen. Nach einem Erstgespräch und einer Orientierungsberatung fassen wir gemeinsam mit dem Unternehmen den Technologiebedarf zusammen. Wir vermitteln dann den direkten Kontakt zu Forschenden aus dem jeweiligen Technologiegebereich und ermitteln die Lösungsansätze, die im Einzelfall gefragt sind. Unsere Mitarbeiter sind in der NRW-Forschungslandschaft seit über zwanzig Jahren eng vernetzt und verfügen über jahrelange Markt- und Technologiekompetenz. So können in kürzester Zeit die geeigneten Ansprechpartner für die jeweiligen Problemstellungen gefunden werden – sei es im Bereich Maschinenbau, Biotechnologie, Elektrotechnik oder Chemie. Wie sich eine Kooperation fortlaufend gestaltet, ist unterschiedlich. In einigen Fällen können sofort Kooperationspartner mit dem gefragten Know-how vermittelt werden. In anderen Fällen ist der Technologiebedarf nicht unmittelbar zu decken, dann nehmen wir oft eine intensivere Analyse des Produktportfolios vor und geben Handlungsempfehlungen. Wir machen das Problem des Unternehmens zu unserem eigenen und suchen nach der technologisch und wirtschaftlich besten Lösung.
m&w: Warum ist der Zugang zu Wissen und Know-how aus der Forschung auch für kleine und mittlere Unternehmen besonders wichtig?
Dr. Heinrich Dornbusch: Die meisten kleinen und mittelständischen Unternehmen, mit denen wir sprechen, haben nur geringe Kapazitäten in Forschung und Entwicklung. Es gibt also wenig Ressourcen, sich intensiv mit der immer differenzierteren Forschungslandschaft auseinanderzusetzen, die häufig wechselnden oder neuen Ansprechpartner im Blick zu haben und dann auch tatsächlich Kontakt aufzunehmen. Gleichzeitig ist der Bedarf für innovative Technologien, spezielles Know-how oder auch Software bei den meisten Betrieben hoch – man spürt den Innovationsdruck, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Da schließt der unbürokratische und schnelle Zugang zu den NRW-Hochschulen, wie wir ihn durch die Landesfördermittel anbieten können, eine kritische Lücke.
m&w: Müssen Unternehmen bestimmte Kriterien erfüllen, um einen Zugang zu Problemlösungen aus den Hochschulen zu bekommen?
Dr. Heinrich Dornbusch: Das Angebot gilt für ganz Nordrhein-Westfalen. Wir erwarten einen besonderen Bedarf bei kleinen und mittelständischen Unternehmen sowie Startups. Bestimmte Kriterien, um unsere Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen, gibt es nicht. Wir bieten allen interessierten Unternehmen eine kostenlose Beratung an.
m&w: Wie ist die bisherige Resonanz auf dieses Wissenstransfer-Angebot und aus welchen Branchen ist die Nachfrage am größten?
Dr. Heinrich Dornbusch: Wir haben seit Start des Förderprojekts zu Jahresbeginn hunderte Gespräche mit Unternehmen geführt. Das Feedback ist überwältigend positiv. In knapp 20 Fällen konnten wir auch schon direkt Kooperationen vermitteln, bei vielen Unternehmen sind die Beratungen aktuell im Anfangsstadium. Am stärksten ist derzeit die Nachfrage aus den Bereichen Maschinenbau und Elektrotechnik.
m&w: Können Sie kurz ein Beispiel für einen gelungenen Transfer nennen?
Dr. Heinrich Dornbusch: Vor Kurzem konnte zum Beispiel eine spezielle Software für Tourenplanungen, die von Wissenschaftlern der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster entwickelt wurde, an den Getränkesofortlieferdienst flaschenpost verkauft werden.
m&w: Wie der Name NRW Hochschulverbund-IP zeigt, unterstützen Sie Unternehmen auch beim Schutz des geistigen Eigentums. Warum ist die schutzrechtliche Absicherung von Erfindungen, neuen Produkten und Dienstleistungen so wichtig und was empfehlen Sie Unternehmen?
Dr. Heinrich Dornbusch: Ideenraub, Nachahmungen und Produktpiraterie sind leider eine ernstzunehmende Bedrohung, können jahrelange Mühen und Kosten für Forschung und Entwicklung auf einen Schlag zunichtemachen. Umgekehrt ist es auch nicht auszuschließen, dass man mit einem neuen Produkt oder Verfahren gegen die Rechte anderer verstößt. Patente, Gebrauchsmuster, Marken oder Designs sichern eine Alleinstellung am Markt und führen Investitionen langfristig zum Erfolg. Wir empfehlen allen eine frühzeitige Auseinandersetzung mit Schutzrechtsfragen, hierzu bieten wir nicht nur unsere Beratung, sondern auch Schulungen und Workshops an.
m&w: Aus Ihrer Erfahrung: Welche Bedeutung haben mittlerweile Entwicklungen im Bereich Software?
Dr. Heinrich Dornbusch: Software ist aufgrund der zunehmenden Digitalisierung aus dem Bereich der Technik nicht mehr wegzudenken. Dementsprechend liegen viele aktuelle Innovationen auf dem Gebiet der digitalen Technik. Dabei geht es nicht nur um Software auf PCs oder in mobilen Apps, sondern auch um Software, die zur Steuerung von Maschinen und Apparaten eingesetzt wird. Gerade für Startups ist das Thema Software besonders relevant. Diese bildet häufig die wirtschaftliche Grundlage junger Unternehmen – eine durchdachte Strategie zum Schutz des geistigen Eigentums ist dabei häufig existenziell. Zurzeit sind etwa zehn Prozent der beim Deutschen Patent- und Markenamt eingereichten Patentanmeldungen softwarebezogene, sogenannte computerimplementierte Erfindungen.
Das Interview ist Auftakt unserer neuen Serie, in der wir über die erfolgreiche Zusammenarbeit von Wissenschaft und Wirtschaft berichten. Lesen Sie in der Juli-Ausgabe über die Kooperation der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster und dem Getränkesofortlieferdienst flaschenpost.