Junge Unternehmen und Startups für die Teilnahme an internationalen Leitmessen zu motivieren, ist Ziel eines Förderprogramms. Was sich die Initiatoren davon versprechen, erklärt Kerstin Scheffler, Managerin Messen Deutschland im Verband der deutschen Messewirtschaft AUMA.
m&w: Seit wann gibt es das Messeprogramm für junge, innovative Unternehmen aus Deutschland und warum wurde es ins Leben gerufen?
Kerstin Scheffler: Das Messeprogramm für junge, innovative Unternehmen – jetzt unter dem neuen Namen Young Innovators – gibt es seit 2007. Das Bundeswirtschaftsministerium ermöglicht mit diesem Programm jungen Startups, Gründerinnen und Gründern die Teilnahme an ausgewählten internationalen Leitmessen in Deutschland und dies zu günstigen Bedingungen. Der AUMA als Verband der deutschen Messewirtschaft koordiniert das Programm für die ausstellenden Unternehmen. Ziel war und ist, den Export von Neuentwicklungen zu unterstützen, um damit hierzulande beispielsweise Arbeitsplätze zu sichern oder aufzubauen. Deutschland ist Exportnation und soll es auch bleiben. Quasi jeden zweiten Tag startet in Deutschland eine Leitmesse der Weltwirtschaft. Mit ihren internationalen Geschäftskunden sind sie für den Sprung in Auslandsmärkte bestens geeignet.
m&w: Was ist das Ziel des Programms bzw. und wer kann die Förderung in Anspruch nehmen?
Kerstin Scheffler: Branchen haben Innovationszyklen und Messen nehmen dabei eine wichtige Schlüsselfunktion wahr: Sie sind Bühne, großes Finale, aber auch Treiber in diesem Zyklus. Das Programm hilft, die noch kleinen und jungen Firmen in diesen Zyklus zu integrieren. Vereinfacht heißt das, junge Unternehmen können hier lernen, wie Messen funktionieren, können erste Beteiligungen üben und so auch ihre Branchenmesse finden. Gefördert werden Unternehmen mit Sitz und Geschäftsbetrieb in Deutschland. Die Unternehmen und ihre Produkte müssen zur Industrie oder dem Handwerk gehören. Sie sind Kleinunternehmen, die laut EU-Definition weniger als 50 Mitarbeiter haben und jünger als zehn Jahre sind. Der Umsatz pro Jahr liegt unter zehn Millionen Euro.
m&w: Viele junge innovationsorientierte Unternehmen sind digital gut vernetzt und technologieorientiert. Messen setzen auf den persönlichen Kontakt und Austausch vor Ort. Warum sollen Startups eine (traditionelle) Messe besuchen?
Kerstin Scheffler: Messen bieten die beste Bühne für Produktpremieren, sind Verstärker und Spotlight in einem. Unternehmen können sich dort ihrem Markt stellen, aber zugleich ihre Wettbewerber kennenlernen und erleben, wie die Produkte auf Kunden und Besucherinnen wirken. Das gilt für alle Produkte, gleich, ob diese nun neueste Maschinen sind, Konsumgüter oder IT-Anwendungen. 80 Prozent der Firmen der ITK-Branche übrigens beteiligen sich mit eigenen Messeständen an physischen Messen, zeigt eine Umfrage des Bundesverbands Informationswirtschaft, Telekommunikation und neue Medien Bitkom, und die Investitionen in Messebeteiligungen sollen noch gesteigert werden.
Nicht zuletzt seit der Pandemie wissen wir: Präsenz und das persönliche Erlebnis sind unschlagbar. Zweieinhalb Jahre Messeverbot während Corona haben die Diskussion, ob Messen gebraucht werden, zugunsten der Messen beendet. Wenn Unternehmen heute auf Messen ausstellen, Zeit, Geld und Energie investieren, tun sie das, weil sie sehr genau durchgerechnet haben, was ohne Messe gefehlt hat. Geschäfte werden am besten persönlich gemacht, vertrauensvolle Partnerschaften durch das echte Kennenlernen begonnen. Alle Sinne des Menschen wollen angesprochen werden. Messegäste wollen testen und ausprobieren. Im digitalen Raum schmeckt kein Brot.
m&w: Wie groß ist die Nachfrage / Beteiligung an den Förderprogrammen? Wie ist die Entwicklung in den letzten Jahren?
Kerstin Scheffler: Jährlich nehmen rund 600 Startups an diesem Förderprogramm teil. Damit haben sie die Chance, Fuß im Markt zu fassen, neue Geschäftspartner oder Kunden kennenzulernen. Das fiel in den Pandemie-Jahren weg, denn aufgrund der Corona-Einschränkungen hat nur noch ein Drittel von jährlich rund 400 Messen stattfinden dürfen. Das Förderprogramm fiel entsprechend kleingestutzt aus. Seit dem Aufheben der Beschränkungen erleben die persönliche Begegnung und das Live-Erlebnis eine Renaissance, die weiter anhält. Im vergangenen Jahr umfasste das Förderprogramm mit knapp 50 Beteiligungen für neun Monate genauso viele Messen wie in zu Vor-Corona-Zeiten für ein gesamtes Jahr. 2024 stehen rund 65 Gemeinschaftsstände auf dem Plan.
m&w: ie haben viele Gespräche mit jungen Firmen auf den Messen geführt und waren begeistert. Was unterscheidet diese Gespräche von „etablierten“ Unternehmen?
Kerstin Scheffler: Messen leben ja ohnehin von der Atmosphäre der persönlichen Begegnung. Jede Besucherin, jeder Besucher kann sich am Messestand Produkte zeigen und erklären lassen, kann neugierig sein und echte Menschen hinter den Marken erleben. Aus manch zufälliger Begegnung werden so langjährige, vertrauensvolle Geschäftsbeziehungen. Für junge Firmen und ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gilt außerdem, dass sie ihr Produkt meist selbst entwickelt haben, es von der Idee bis zur Marktreife betreut haben. Da erlebe ich viel Herzblut, Erfindergeist und Stolz! Große Firmen reisen meist mit einer Crew von gut gecoachten Vertriebsmitarbeitern zur Messe. Das sind verkaufserfahrene Profis, das sollte auch nicht anders sein. Selten aber sind sie die Tüftler – jedenfalls nicht von Beruf. Mit den jungen Firmen ist das Gespräch immer ein Austausch: Sie lassen mich an der Entwicklung, Reifung und Gründung teilhaben und ich berate sie, welche Möglichkeiten die Messebeteiligung für sie bietet. Das gibt mir auch ein gutes Gefühl!
m&w: Startups sind Treiber neuer Ideen und neuer Technologien, die unsere Gesellschaft und Wirtschaft dringend brauchen. Aus Ihrer Erfahrung: Finden die jungen innovativen Unternehmen auf Messen Ihre Zielgruppe, Kunden, Partner oder Investoren?
Kerstin Scheffler: Auf jeden Fall! Die jungen Firmen berichten oft von neuen Kunden, von Geschäftsabschlüssen, von guten Netzwerken. Nebenher lernen sie, wie Messen funktionieren. Ich empfehle hierfür auch immer unsere Grundlagen der „Erfolgreichen Messebeteiligung“. Damit nutzen sie das Instrument meist selbstständig auch nach ihren ersten geförderten Beteiligungen sehr selbstbewusst.
m&w: Ist es aus Ihrer Sicht sinnvoll, ein eigenes Messeformat (auf regionaler Ebene) nur für Startups zu entwickeln, damit Investoren und Förderer gezielter Kontakte knüpfen können?
Kerstin Scheffler: Es gibt diverse Formate, Gründermessen, auf denen sich Startups branchenübergreifend präsentieren, zum Beispiel die deGut in Berlin, aber auch Veranstaltungsformate wie das Münchner Startup-Festival Bits and Pretzels, das auch einen Ausstellungsbereich für Startups anbietet. Bei den Gründermessen sind Institutionen und Dienstleister zu finden, die Angebote und Hilfsinstrumente vorstellen, um die Firmengründer zu unterstützen, auch Investoren und Förderer. Den eigenen Markt lernen die Startups aber besser auf ihrer Fachmesse kennen, auf ihrer Branchemesse. Dort können sie sich integrieren und vernetzen. Aber viele Wege führen zum Ziel.