Vor sieben Jahren ist das CSR-Kompetenzzentrum OWL mit Sitz in Detmold auf Initiative des Landes NRW entstanden. Ziel ist es, insbesondere kleine und mittlere Betriebe für die verantwortungsvolle Unternehmensführung zu sensibilisieren. Wie dieses in der Praxis gelingen kann, erklärt Simon Gröger vom CSR-Kompetenz-Team bei der GILDE Wirtschaftsförderung Detmold.
m&w: Herr Gröger, wie definieren Sie Corporate Social Responsibility?
Simon Gröger: Im Rahmen unserer Tätigkeit sehen wir Corporate Social Responsibility als verantwortungsvolle Unternehmensführung, die sich insbesondere in den vier Handlungsfeldern Beschäftigte, Umwelt, Markt bzw. Lieferkette und Gemeinwesen niederschlägt, welche sich auch im sogenannten Nachhaltigkeitsdreieck befinden.
Interessant ist die hier zu beobachtende Wechselwirkung. Nachhaltigkeit wirkt sehr eng mit CSR zusammen und so eröffnen sich völlig neue Marktchancen. Innovationen oder neue Geschäftsfelder entstehen. Es ergeben sich komplett neue Businessmodelle und neue Kundenschichten, weil nachhaltige Produkte wieder andere Zielgruppen ansprechen.
m&w: Stellen Sie ein wachsendes Nachhaltigkeitsbewusstsein bei den Unternehmen fest?
Simon Gröger: Gerade kleine und mittlere Unternehmen sind traditionell sehr engagiert, wenn es um Corporate Social Responsibility geht. Sie haben sich schon immer für ihre Beschäftigten und den Standort interessiert. Und auch Umweltthemen stehen auf der Agenda, weil sie auch marktlich bedingt sind.
Wir haben jedoch festgestellt, dass Ostwestfalen und Lipper über solche Themen nicht aktiv kommunizieren, sie erzählen in der Regel nicht, was sie gut gemacht haben. Das möchten wir ändern und ein Bewusstsein dafür schaffen, Gutes zu tun und auch darüber zu sprechen.
In den letzten Jahren hat die Thematik Nachhaltigkeit verstärkt Fahrt aufgenommen, da Großkunden durch die Markt- und Lieferketten kleinere Zulieferer vermehrt in die Pflicht nehmen, über die Herkunft ihrer Rohstoffe und die Herstellung ihrer Produkte Auskunft zu erteilen. Das demnächst in Kraft tretende Lieferkettengesetz, die EU-Taxonomie-Verordnung, die sich an Großunternehmen und Banken richtet, hat damit auch Auswirkungen auf den Mittelstand. Die Thematik bleibt hochaktuell.
m&w: Das CSR-Kompetenzzentrum OWL adressiert kleine und mittlere Unternehmen. Wo sehen Sie den größten Unterstützungsbedarf?
Simon Gröger: Wir stellen immer wieder fest, dass es am Engagement der Unternehmen nicht mangelt. Handlungsbedarf sehe ich eher dann, wenn es um die strategische Herangehensweise geht. Hier versuchen wir ein Bewusstsein zu schaffen, die verschiedenen Initiativen zu bündeln und sie in einer Nachhaltigkeits- und CSR-Strategie einzubetten.
Betriebe müssen sich im Klaren darüber sein, wie einzelne Maßnahmen mit der Unternehmensstrategie in Einklang zu bringen sind, wie sie sich für das Kerngeschäft nutzen lassen, wie die Kommunikation darüber aussehen kann und wie mögliche Anpassungen oder Nachschärfungen mit Blick auf die eigenen Bezugsgruppen vorzunehmen sind. Schließlich geht es darum, sich im Klaren darüber zu sein, wen die eigene Geschäftstätigkeit betrifft. Das sind nämlich bei Weitem nicht nur die Kunden, sondern auch Mitarbeiter, Leiharbeiter, Außendienstler, der Bach oder der Kindergarten vor der Tür und die Lieferanten in Ghana. Und hier steht die Frage im Raum, wer davon profitiert, wenn das Unternehmen gut handelt und wer Nachteile hat, wenn nicht umfassend auf Fairness geachtet wird.
m&w: Welche Vorteile haben Unternehmen, die sich für nachhaltiges Wirtschaften entscheiden?
Simon Gröger: Die Vorteile sind vielfältig und betreffen verschiedenste Bereiche. Stichwort Rekrutierung von Fach- und Führungskräften, aber auch von Auszubildenden: Potenzielle Bewerberinnen und Bewerber sind heute durchaus wählerisch und konfrontieren ihren künftigen Arbeitgeber gezielt mit Fragen im Hinblick auf Nachhaltigkeit, Umweltschutz, Mitarbeiterorientierung, Vereinbarkeit von Familie und Beruf. Ich halte das für sehr gut, weil Mitarbeitende dadurch konkrete Ansprüche an die Unternehmen richten und diese so zum nachhaltigen Handeln bewegt werden, was letztendlich die eigene CSR voranbringt.
Nachhaltige Unternehmen profitieren auch bei der Kreditvergabe. Banken fragen zum Beispiel gezielt nach der Geschäftstätigkeit oder der Verwendung der Finanzierung und belohnen nachhaltige Geschäftsmodelle, indem sie spezielle Kredite anbieten.
Das gilt auch für die Gewerbeflächenvermarktung. Verkäufer schauen genau hin, wie der Impact auf die Umwelt und die Natur ist. Mittlerweile gibt es Auflagen, die ein Solardach, Begrünungen und Wasserabscheider als Bedingung für den Verkauf machen. Auch für die Generierung öffentlicher Bauaufträge ist eine nachhaltige Strategie ein Pluspunkt.
Mittlerweile hat sich in vielen Köpfen die Erkenntnis durchgesetzt, dass Nachhaltigkeit und Unternehmensverantwortung kein Kosten-, sondern ein wichtiger Geschäftsfaktor geworden ist. Verantwortungsvolles Wirtschaften ist damit marktwirtschaftlich orientiert.
m&w: Sie sehen Ihre Aufgabe darin, Unternehmen zu sensibilisieren. Wie geht es dann weiter? Können Unternehmen von Ihnen weitere Unterstützung erwarten?
Simon Gröger: Unternehmensverantwortliche zu sensibilisieren, ist eine wichtige Grundvoraussetzung, um für die komplexen Zusammenhänge den Kopf zu öffnen.
In einem zweiten Schritt bieten wir Workshops an, um eine Grundqualifikation für das Thema zu erreichen. Hier geht es zum Beispiel um die Frage, was ist CSR? Unternehmen lernen Bordmittel kennen und deren Anwendung. Sie werden befähigt, eine eigene CSR-Strategie zu entwickeln, sie umzusetzen und sie zu kommunizieren. Wir geben ihnen das Rüstzeug, um selbst zu entscheiden, was sie leisten können und wo professionelle Hilfe von außen notwendig ist.
Darüber hinaus ist es ein wichtiges Anliegen, diese CSR-Unternehmen mit anderen in der Region zu vernetzen. Dazu haben wir verschiedene Arbeitskreise gegründet, in denen der kollegiale Austausch im Mittelpunkt steht.
Angebote mit unseren Netzwerkpartnern und mit besonderen Leuchtturmunternehmen, die aus ihrer Praxis berichten, sind darüber hinaus wichtige Impulsgeber und werden stark nachgefragt.
Gleichzeitig sind wir als Kompetenzzentrum ständig gefordert. Auch wir brauchen Impulse, um Themen adäquat adressieren zu können und Interessen wiederum in neue Angebote zu transformieren.
m&w: Wie lässt sich CSR in der Praxis umsetzen?
Simon Gröger: Das ist ein extrem weites Feld. Ausbildung ist Verantwortung pur, die Beteiligung am „Girls & Boys Day“ oder die Unterstützung des Ehrenamts, indem Unternehmen Zeitspenden möglich machen, sind schöne Beispiele. Aber auch Bewaldungsaktionen für den geschundenen Teutoburger Wald setzen ein verantwortungsvolles Zeichen.
Wichtig ist, dass diese Themen nicht einzeln für sich stehen. Sie müssen sich überlappen. Das eine berührt auch das andere. Ein Beispiel: Wenn ein Detmolder Unternehmen wie Wortmann sich für eine Wiederaufforstungsgeschichte entscheidet, dann steht diese Aktion nicht nur für den Umweltaspekt, sondern ist auch ein Zeichen für Standorttreue. Hier wird konkret in Detmold gehandelt. Davon profitiert die Gemeinschaft, die Umwelt und Tierwelt.
Wenn sich ein Unternehmen wie Weinrich Schokolade in Herford besonders für seine Beschäftigten engagiert, dann können auch Aktivitäten wie ein Schulbau im Produktionsland Ghana mit einer Kooperative, die dort Kakao anbaut, sinnvoll sein. Um den Kindern der Kakao-Bauern eine gute Ausbildung zukommen zu lassen.
Jede Aktivität hat einen mehrfachen Effekt. Den Unternehmen muss bewusst sein, dass eine Handlung immer Betroffenheit erzeugt und diese positiv nutzbar ist, indem man darüber spricht, zum Beispiel auf der eigenen Webseite.
m&w: Sie haben es gerade gesagt, über gute Taten sollte jedes Unternehmen kommunizieren. Doch wo und wie gelingt dieses?
Simon Gröger: Die eigene Webseite eignet sich hervorragend. Hier lässt sich unter einem eigenen Punkt „Nachhaltigkeit“ über alle Aktivitäten berichten. Es empfiehlt sich, eine Verknüpfung zur Karriere-Webseite herzustellen. Auch hier ist es sinnvoll, einen Nachhaltigkeitsbutton zu setzen.
Unerlässlich ist es auch nach innen zu berichten. Die Mitarbeitenden mit einzubeziehen, sie nach ihren Ideen zu befragen und ihnen erklären, warum einzelne Handlungen erfolgen. So erhöht man die Chance, dass alle an einem Strang ziehen.
Die Kommunikation nach außen oder die Bewerbung für den CSR-Preis OWL sind weitere Möglichkeiten, um positiv von sich reden zu machen. Gewinnt ein Unternehmen diesen Preis, hat es ein starkes Kommunikationswerkzeug an der Hand. Die erfolgreiche Teilnahme an Zertifizierungen wie zum Beispiel „Familienfreundliches Unternehmen“ erlaubt das Führen eines Labels, was wiederum öffentlichkeitswirksam eingesetzt werden kann. Auch der Austausch mit dem NABU über Ausgleichsflächen oder Nistkästen auf dem Firmengelände anzubringen, schafft neue Möglichkeiten der Kommunikation nach dem Motto „mit anderen sprechen, damit sie über mich sprechen“.
m&w: Eine Möglichkeit, in der Öffentlichkeit über die eigenen Aktivitäten zu kommunizieren, ist die Veröffentlichung von CSR- oder Nachhaltigkeitsberichten. Wie wichtig sind diese?
Simon Gröger: Es gibt verschiedene CSR-Berichte und Berichtsstandards, die in der Regel für Großunternehmen verpflichtend sind. Für mittlere und kleinere Betriebe ist die Thematik weniger dringend, obwohl einige freiwillig ihren Nachhaltigkeitsimpact veröffentlichen. Beispielhaft zu erwähnen sind der UN Global Compact, der Deutsche Nachhaltigkeitskodex (DNK) und auch verschiedene Industrienormen. Angesichts der Berichtspflicht von großen Unternehmen werden kleinere Zulieferer immer mehr mit der Thematik konfrontiert.
In der Region gibt es zahlreiche Unternehmen, die hier professionell aufgestellt sind. Der schon erwähnte Schokoladenhersteller Weinrich veröffentlicht seit 2017 freiwillig einen Nachhaltigkeitsbericht und weist seine Lieferkette transparent nach, auch ohne gesetzlich dazu verpflichtet zu sein. Stiegelmeyer aus Herford hat einen Code of Conduct – einen Verhaltenskodex – entwickelt.
Wer sich für einen Bericht entscheidet, sollte strategisch vorgehen, alle Informationen valide belegen können, Ehrlichkeit und Transparenz walten lassen und nicht marktschreierisch ein oder zwei Aktionen abfeiern, die dann im schlimmsten Fall gar nicht nachhaltig sind. Wird das aufgedeckt, dann ist der Schaden groß. Das sogenannte „Greenwashing“ ist wie ein Bumerang und ruiniert die Reputation.
Übrigens muss ein Unternehmen nicht in allen Handlungsfeldern glänzen, sinnvoll ist es, Schwerpunkte zu setzen. Ein interessantes Beispiel ist die Firma Chemical Check aus Steinheim, die sich im Sozialen engagiert. Die Expertinnen und Experten rund um Gefahrgüter haben neben ihrem Standort einen Kindergarten gebaut, der dem Nachwuchs der Beschäftigten und den im Stadtviertel lebenden Kindern zur Verfügung steht. Sie haben sich so als Corporate Citizen, als „guter Nachbar“ etabliert und setzen damit einen sehr guten Impact im Hinblick darauf, wie das Umfeld über das Unternehmen denkt. Solche Aktivitäten kommen an und lassen sich sehr gut kommunizieren.
m&w: Gibt es konkrete Zahlen für die Region, die zeigen, wie viele Unternehmen nachhaltig aufgestellt sind?
Simon Gröger: OWL ist eine Innovationsregion, eine nachhaltige Innovationsregion. Innovation und Nachhaltigkeit stecken sozusagen in der DNA der Unternehmen. Dafür ist die Region bekannt, mittlerweile haben viele Unternehmen sich hier strategisch sehr gut aufgestellt und sind auf dem besten Weg, die Thematik auch substanziell voranzubringen.
m&w: Im CSR-Kompetenzzentrum OWL ist auch das neue Projekt CSR 4.0 angesiedelt. Worum geht es hier?
Simon Gröger: Die Digitalisierung nachhaltig und die Nachhaltigkeit digital zu betrachten – dafür steht CSR 4.0. Die Frage ist, wie Unternehmen konkret digitale Verantwortung übernehmen und nachhaltig erfolgreich sein können? Damit beschäftigen wir uns in dem Projekt.
Oftmals denken viele zuerst an die negativen Folgen, zum Beispiel an den Wandel der Arbeit und mögliche Jobverluste. Digitalisierung bedeutet jedoch weitaus mehr. Deshalb wollen wir die Diskussion von Verantwortung nicht nur auf den Arbeitsplatz und Datenschutz legen, sondern den Blick auf die vier Handlungsfelder von CSR – Beschäftigte, Umwelt, Markt und Gemeinwesen – erweitern und hier zeigt sich, dass es viele interessante Schnittstellen gibt. Die CSR-Strategie bildet einen wunderbaren Ansatz, sich mit der Digitalisierung zu beschäftigen, um herauszufinden, welche Aktivitäten sinnvoll und nachhaltig sind. Zu fragen, wie sich eine Lieferkette nachhaltig gestalten lässt, sodass transparent nachvollziehbar ist, woher die Rohstoffe stammen und wie der Produktionsprozess aussah, ist ein Beispiel, das zeigt, wie Digitalisierung mehr Nachhaltigkeit bewirkt.