Neue Gusseisen-Werkstoffe: Leichter als Aluminium, härter als Stahl

Bei der Wahl eines geeigneten Werkstoffs hat der Konstrukteur die Qual der Wahl: entweder hochfest, aber spröde, oder zäh, aber weniger fest. Eine Optimierung dieser ge­genläu­figen Eigenschaften schließt sich bei konventionellen Konstruktionswerkstoffen aus. Jetzt eröffnet die Gruppe der sogenannten ADI-Gusseisen-Werkstoffe neue Horizonte. Denn hier gilt: „Strength meets tough­ness“.

Der Begriff ADI (Austempered Ductile Iron) be­zeichnet einen wär­mebehandelten duktilen Sphäroguss, der bei gleicher Bruchdehnung (bis 10%) eine doppelt so hohe Festigkeit (bis 1.600 N/mm2) wie konventionelles Gusseisen mit Kugelgraphit aufweist. Die Zugfestigkeit ist vergleich­bar mit der vieler Stahlsorten (bspw. 16MnCr5 oder 42CrMo4) – bei exponentiell besse­ren Formgebungseigenschaften.

Typische Anwendungsgebiete finden sich in Fördertechnik, Bau- und Bergbaumaschi­nen, Schienenverkehrstechnik, sowie in Anwendungen für Nutz- und Personenfahrzeuge und hochbelasteten Getrieben. Neben Verschleißteilen wie Pflugspitzen, Kettenglie­der und Bag­gerzähnen sind hochbelastete Fahrwerksteile und Antriebskomponenten (Hohl­räder, Achsen / Achsbrücken, Bremsträger, Nocken­wellen, Rollen, Räder) häufige Einsatzfälle. Der Festigkeitsbe­reich von ADI reicht von 800 N/mm2 bei hohen Dehnungen von mindestens zehn Prozent und ho­hen Dauerfes­tigkeiten bis zu verschleißfesten Sorten mit 1.600 N/mm2 bei geringer Dehnung. Das Kerbemp­findlichkeitsverhältnis, das das Verhältnis der Dauerfestigkeit von ungekerbten und ge­kerbten Proben bezeichnet, liegt für ADI bei den untersuchten Kerbgeometrien zwi­schen 1,2 und 1,6, während es für Schmiedestahl zwischen 2,2 und 2,4 liegt. ADI ist also wenig kerbemp­findlich.

Kurvenscheibe einer Landmaschine

Der Werkstoff wird durch eine mehrstufige Wärmebehandlung aus Sphäroguss hergestellt. Ziel dieser Maßnahme ist die Einstellung eines Gefüges aus nadeligem Ferrit in einer mit Koh­lenstoff übersättigten Austenitmatrix. Das Gussstück wird in einem Schutzgasofen bei 840 bis 950° C vollständig austenitisiert. Im zweiten Behandlungsschritt erfolgt eine schnelle Abkühlung – in der Regel im bewegten Salzbad, über dessen Temperatur die Güte des ADI eingestellt wird.

Im Vergleich zu Stahlguss- oder Stahlschmiedeteilen besticht ADI durch eine weitgehende Freiheit der Formgebung.

Aufgrund der hohen Festigkeits- und Dehnungswerte können bei vorgegebenen Lasten extrem leichte Bauteile konstruiert werden – ADI-Konstruktionen können sogar ge­genüber Alumi­niumlö­sungen leichter sein. ADI ist also weit mehr als eine Alternative zu EN-GJS-600-3 oder St37. Es steht bei niedrigeren Kosten im Wettbewerb mit Stahlguss, mit vergüteten Schmiede­stählen mit hoher Festigkeit wie 16 MnCr5und 34CrNiMo6, andererseits aber auch bei höheren mechani­schen Anforderungen zu sog. typischen „Leichtbauwerkstoffen“ wie Aluminium und Magnesium.
Ein Aspekt, der oft unterschätzt wird, bringt erst die wesentlichen Vorteile der ausferritischen Gusseisenqualitäten zur Geltung. „Im Vergleich zu Stahlguss- oder Stahlschmiedeteilen besticht ADI durch eine weitgehende Freiheit der Formgebung, die darauf beruht, dass die Basislegierung, die für die Form- und Gießbarkeit ausschlaggebend ist, ein Sphäroguss ist. Während Stahlguss wie `Tomatensaft` fließt und extrem zur Lunkerbildung neigt, ist Sphäroguss geradezu pflegeleicht – etwa wie `Orangensaft zu Tomatensaft`“, so ein Sprecher der Josef Brechmann GmbH & Co. KG. Die Möglichkeiten der Formgebung seien erheblich größer, der Kreislaufanteil am Gussstück sei deutlich niedriger und die Lunkergefahr wesentlich niedriger – damit steige die Gestaltungsfrei­heit des Konstrukteurs ganz wesentlich an.

Das bedeute aber auch, wer sich ein Stahlgussteil geometriegleich als ADI-Bauteil anbieten lasse, habe nicht wirklich verstanden, welche Potenziale der Werkstoff biete. „Das ist nur ein Ver­gleich der Werkstückerzeugungskosten – nicht aber der Kostenvergleich zweier fertigungstechni­scher Alternativen mit dem Ziel der bestmöglichen Funktions­erfüllung. Bionische lastfallange­passte Konstruktionen in ADI sind die Zielrichtung, nicht plumpe Geometrien nach dem Motto: „Viel hilft viel“. Bei Geometriegleichheit erhält man eine vage Kos­teninformation; den technischen Vorteil muss man im Projekt konstruieren“, so der Sprecher weiter, der überspitzt formuliert dieses Fazit zieht: „Leichtbau ist nicht länger der leichtsinnige Ein­satz von Werkstoffen mit geringer spezifischer Dichte, sondern die intelligente, ingenieurtechni­sche Ausnutzung von Werkstoffeigenschaften mit dem Ziel eines lastfallangepass­ten Designs auf einem akzeptablen Kostenniveau.“ Die Alu-Folie fürs tägliche Butterbrot werde wohl immer Alu bleiben, aber Getriebegehäuse, Achsschenkel und andere mechanisch hö­her belastete Maschinen- und Fahrzeugbauteile hätten eine klare Tendenz zur Werkstoff­gruppe ADI.

Weitere Informationen: www.brechmann-guss.de und auf der FMB Halle 20, Stand G 24

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