Patente in Zukunftstechnologien sind nur die halbe Miete

Dominik Gross, Geschäftsführer der Founders Foundation, Bielefel

Es klingt paradox: Weltweit gewinnen bahnbrechende Technologien an Fahrt und treiben das Rennen um völlig neue Märkte an – während die deutsche Innovationsbereitschaft immer weiter ins Stocken gerät. Doch genau das belegen nicht nur aktuelle Umfragen, sondern auch die rückläufigen Patentanmeldungen in ganz Deutschland sowie in Westfalen. Es passt daher ins Bild, dass im diesjährigen Innovationsranking von markt & wirtschaft westfalen die gleichen drei Unternehmen wie in den Vorjahren an der Spitze gelandet sind.

Der deutsche Erfindergeist scheint erschöpft zu sein. Dahinter steckt vor allem Unsicherheit: Unternehmen kämpfen mit hohen Energiekosten, suchen dringend nach Fachkräften und stehen einer Vielzahl neuer Regularien gegenüber. Wer derzeit keine falschen Entscheidungen treffen möchte, fährt lieber auf Sicht. Ein verständlicher Reflex. Wieso auch gerade jetzt langfristige Investitionen in unerprobte Technologien wagen, wo sich alte Pfade stets bewährt haben?

Genug mit der Grundlagenforschung – mehr Praxisbezug muss her!

Aber nur „auf Sicht fahren” ist eine kurzsichtige Antwort auf ein langfristiges Problem. Denn in Zeiten tiefgreifender Umbrüche muss die deutsche Wirtschaft vorausschauender agieren, wenn sie ihren zweiten Platz bei den Patentanmeldungen nicht an China verlieren will. Zwar mangelt es hierzulande nicht an Ideen und guter Grundlagenforschung, dafür aber umso mehr an ihrer Anwendung. Denn Patent ist nicht gleich Patent – entscheidend ist der Transfer in ein Produkt und damit auch in Umsätze. Vor allem im Bereich der Schlüsseltechnologien spielt Deutschland aktuell keine Rolle.

Spitzenreiter sind in dieser Hinsicht nach wie vor die USA. In nahezu jeder wichtigen Zukunftstechnologie wie beispielsweise in Künstlicher Intelligenz (KI) weist das Land die meisten Patente auf. Eine neue Idee in erfolgreiche Produkte umwandeln – genau dieser Schritt gelingt hier oft schneller. Historischer Beleg: Als Philipp Reis deutschen Physikern 1861 erstmals ein Gerät namens „Telephon” vorstellte, wurde es von ihnen als Spielzeug abgetan. 15 Jahre später meldete der US-Amerikaner Alexander Graham Bell das erste Patent für ein Telefon an – der Rest ist Geschichte.

Dem Erfindergeist auf die Sprünge helfen

Damit sich die Geschichte nicht wiederholt, will die Bundesregierung mit einem neuen Zukunftsfond den Kapitalzugang für aufstrebende Tech-Unternehmen erweitern. Damit sollen Startups, die z. B. in KI, Klima-, Quanten- oder Biotechnologie investieren, noch stärker gefördert sowie Kooperationen zwischen institutionellen Investoren und Startups unterstützt werden. Mit insgesamt 3,5 Milliarden Euro aus öffentlichen und privaten Mitteln soll mehr Wagnis in den Wagniskapitalmarkt gebracht werden. Das wiederum könnte dem Erfindergeist in Deutschland den nötigen Schub geben, um die Zahl der Patentanmeldungen und deren praktische Umsetzung wieder nach oben zu treiben.

Kein Risiko ist keine Lösung

Um Transformation zu realisieren, braucht es aber Menschen, die nach Lösungen suchen und dabei auch Risiken eingehen – der Kern jedes jungen Unternehmens. Eine robuste Startup-Szene ist daher die Voraussetzung für zukünftige Wettbewerbsfähigkeit. Dazugehörende Startup-Hubs tragen mit ihrem gebündelten Wissen, ihren Netzwerken und ihrer Gründungserfahrung als ausgelagerte F&E-Abteilung dazu bei, das Potenzial guter Forschung leichter in tragfähige Geschäftsmodelle umzusetzen.
Dieser Schritt erfordert Mut zu neuen Geschäftsideen. Denn wie in den berühmten Worten Mark Zuckerbergs ist es für Unternehmen das größte Risiko, kein Risiko einzugehen. Deutschland und damit auch Westfalen werden in Zukunft vor allem über Tech-Geschäftsmodelle wachsen – das Ziel sollten wir stets im Blick haben.

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