„Es gibt zahlreiche Zukunftsbranchen, die von den Möglichkeiten unserer Technologie profitieren können“

Das Gründerteam: Dr. Wladick Hartmann, Christoph Seidenstücker, Dr. Fabian Beutel, Nicolai Walter und Martin Wolff (v.l.) Foto: Peter Leßmann, Münster

Für viele Bereiche der Forschung und der Industrie ist die Erkennung von kleinsten Lichtteilchen (Photonen) eine wichtige Grundlage für technischen Fortschritt. Den ehemaligen Studierenden der Westfälischen Wilhelms-Universität Münster (WWU) Dr. Fabian Beutel, Dr. Wladick Hartmann, Christoph Seidenstücker, Nicolai Walter und Martin Wolff ist es gelungen, kleinste nicht mehr teilbare Mengen von Licht zu erkennen und zu messen. Unterstützt wurden sie von den WWU-Professoren Wolfram Pernice und Carsten Schuck. Mitgründer Christoph Seidenstücker, über das Geschäftsmodell des vor zwei Jahren gegründeten Startups Pixel Photonics.  

m&w: Was ist das Besondere Ihrer Technologie und wo liegen die Vorteile Ihres Geschäftsmodells gegenüber bisherigen Verfahren?

Christoph Seidenstücker: Die Idee unseres Geschäftsmodells ist es, Licht auf dem sogenannten Photonenlevel zu detektieren. Das heißt, kleinste, nicht mehr teilbare Mengen von Licht zu erkennen und zu messen. Die Besonderheit liegt darin, dass die Detektion nicht nur mit einer extrem hohen Genauigkeit, sondern auch mit einer ultraschnellen Geschwindigkeit erfolgt. So lassen sich die Anzahl der Lichtteilchen, ihre Auflösung und der Zeitpunkt des Auftreffens feststellen. Neu ist hierbei die Integration der Technik mit Hilfe von Nanophotonik, wodurch sich eine bisher nicht erreichte Skalierbarkeit realisieren lässt. Das war im Übrigen auch die Motivation, dieses Alleinstellungsmerkmal als Geschäftsidee zu nutzen und aus der Hochschule heraus ein Unternehmen zu gründen.   

m&w: Was sind die größten Herausforderungen bei der Detektion von kleinsten Lichtteilchen?

Christoph Seidenstücker: Die Art der hochsensiblen Lichtmesstechnik kann man nur in einem absolut dunklen Vakuumgefäß umsetzen, das nahe am absoluten Nullpunkt operiert, weil jede Restlichtmenge oder Restlichtwärmestrahlung das Messergebnis verfälschen würde. Deshalb nutzen wir in unserem Labor mehrere Tiefsttemperaturkühlschränke, sogenannte Kryostate, in denen sich jeweils ein winzig kleiner Detektorchip befindet. Einzigartig an der Innovation von Pixel Photonics ist, dass auf einem Detektorchip aufgrund des neuartigen Ansatzes Hunderte einzelne Detektoren platziert werden können.

m&w: Wo liegt der konkrete Nutzen Ihrer Technologie?

Christoph Seidenstücker: Da wir eine sehr genaue Art der Messtechnik anbieten, lässt sich unsere Entwicklung für verschiedene zukunftsweisende Technologien einsetzen. Im Grunde genommen stellen wir eine Art Sensorsystem zur Verfügung, das in der Lage ist, in einer Apparatur, die zum Beispiel Quantencomputing oder Verschlüsselungen ermöglicht, die kleinsten Lichtteilchen mit präziser Genauigkeit zu messen. Das heißt, wir befinden uns am Ende einer Kette von Technologien und ermitteln das Ergebnis eines Experiments oder eines Apparaturaufbaus. Ohne unsere Technologie könnten die zuvor aufgeführten Innovationen nicht sinnvoll genutzt werden, wodurch die Detektoren von Pixel Photonics als „Enabling Technology“ fungieren. 

m&w: In welchen Branchen kommt die Technologie zum Einsatz und welchen Mehrwert können Unternehmen daraus generieren? 

Christoph Seidenstücker: Es gibt zahlreiche Zukunftsbranchen, die von den Möglichkeiten der Technologie profitieren können, viele von ihnen befinden sich allerdings noch in der Entstehung. Zwei Branchen könnten wir jedoch real einen Vorteil bieten. Wobei, das muss man auch sagen, es noch einige Jahre dauern wird, bis die Lösungen marktreif sind. Dazu gehört die Medizintechnik und Diagnostik. Hier können beim Einsatz von Mikroskopen, bei denen kleinste Mengen von Licht genutzt werden, um eine biologische Probe zu vermessen, unsere Detektoren noch genauere Messergebnisse erzielen. Das ist machbar, weil wir nicht nur in der Lage sind, schwache Lichtmengen zu messen, sondern auch die einzelnen Photonen. Unsere Technologie kann helfen, dass sehr hoch aufgelöste Bilder mit schwachen Lichtmengen unter dem Mikroskop sichtbar werden. Auch in der Industrie gibt es Anwendungsbereiche, wie zum Beispiel bei der Qualitätssicherung in der industriellen Messtechnik oder im Pharma- und Halbleiterbereich. Immer wenn es um Highend-Industrieanwendungen geht und wenn man sich das Ergebnis genau anschauen möchte, wird bereits heute mit Licht gearbeitet. Mit unseren Detektoren würde man eine weitere Verbesserung des Messergebnisses erreichen. Großes Zukunftspotenzial sehen wir in den Quantentechnologien, allen voran beim Quantencomputing. Quantencomputer haben die Fähigkeit, Berechnungen und Simulationen für zahlreiche Anwendungen in enormer Geschwindigkeit durchzuführen. Während herkömmliche Computer auf Basis von Halbleitertechnik nur die Zustände eins oder null annehmen können, sind Quantencomputer in der Lage, eine Überlagerung von allen möglichen Zuständen gleichzeitig einzunehmen. Hierdurch kann die Rechenleistung exponentiell gesteigert bzw. es können sogar fundamental andere Berechnungen durchgeführt werden, für die selbst heutige Supercomputer Jahrtausende benötigen würden. Viele Experten gehen davon aus, dass funktionierende Quantencomputer in der Anwendung neue Möglichkeiten und damit Vorteile für verschiedene Branchen schaffen. Das gilt zum Beispiel für die Materialwissenschaften, die Pharmaforschung und die Logistik.
Ein weiteres Einsatzfeld unserer Detektoren ist die Informationssicherheit, da sich mit einzelnen Lichtteilchen auch Dinge verschlüsseln lassen. Da jedes Photon einzigartig ist und man es aufgrund von physikalischen und mathematischen Gesetzen nicht replizieren kann, ist es möglich, eine physikalisch sichere Verschlüsselung zu erzeugen. Aufgrund der Einzigartigkeit des Lichts kann man zudem prüfen, ob der „Schlüssel“ mitgelesen wurde oder nicht. Das ist aktuell nicht möglich. Mit Quantentechnologien lässt sich dieses Problem lösen. Wir kooperieren zurzeit mit der Universität Münster in einem Forschungsprojekt zu diesem Thema. Ziel ist es, eine neue Generation von Quantenschlüsselverteilungssystemen (QKD) mit hohen Datenraten zu entwickeln, die eine hohe Datensicherheit ermöglichen. 

m&w: Ein Blick in die Zukunft: Wie sehen die nächsten Schritte aus und wann ist die Markteinführung Ihrer Produkte geplant? 

Christoph Seidenstücker: Streng genommen hat eine Markteinführung schon stattgefunden, weil wir einige Produkte bereits verkaufen konnten. Hier handelt es sich jedoch um individuelle Anfertigungen, die in Kooperation mit dem Kunden entstanden sind und zur Lösung seiner spezifischen Anforderung beigetragen haben. Der Kunde nutzt das Produkt im Prototypenstatus, testet es und gemeinsam arbeiten wir an seiner Verbesserung.  
Allerdings wird es noch ein bis zwei Jahre dauern, bis wir Standardprodukte anbieten können. Im Grunde genommen kreieren wir zurzeit Maßanzüge für einzelne Anwender, aus denen dann irgendwann eine Kollektion entsteht.    

m&w: Stichwort Finanzierung: Wie stellen Sie Ihre Liquidität sicher? 

Christoph Seidenstücker: Unser Finanzierungsmodell basiert auf drei Säulen. Neben der Generierung von Umsätzen durch zahlende Kunden stellen wir unsere Finanzierung durch Fördergelder aus Projekten des Bundesministeriums für Bildung und Forschung (BMBF) sicher. Durch Forschungs- und Entwicklungsprojekte mit Partnern aus der Industrie oder Wissenschaft erschließen wir uns finanzielle Einnahmen, in dem wir zum Beispiel Personalkosten erstattet bekommen. Auf diese Weise konnten wir in den letzten Monaten viele Mitarbeiter einstellen. Ebenso wichtig sind Investoren, die an unsere Vision glauben. Wir werden von zwei großen Venture Capital Fonds unterstützt, die insgesamt 1,45 Millionen Euro Kapital bereitgestellt haben. Neben dem Hightech-Gründerfonds (HTGF) aus Bonn, der bereits über 500 Startups mit Geldern vom BMWK und von großen DAX-Konzernen finanziert hat, bekommen wir Kapital vom Fonds Quantonation aus Paris. Ohne diese Gelder hätten wir keine Fördergelder einwerben können, denn eins greift in das andere. Man muss einen gewissen Kapitalstock haben, um Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter einzustellen, die dann für die Förderprojekte zum Einsatz kommen.  Zum Jahreswechsel planen wir eine weitere Finanzierungsrunde und freuen uns über weitere Investoren. 

m&w: Ihr Unternehmen ist eine Ausgründung der Universität Münster. Wie wurden Sie hier konkret unterstützt? 

Christoph Seidenstücker: Das Gründernetzwerk der Uni und auch das REACH EUREGIO Start-up Center waren wichtige Begleiter für uns. Durch die Teilnahme an verschiedenen Coaching- und Qualifizierungsprogrammen sind wir gut auf den Start vorbereitet worden. Heute sind wir als ALUMNI weiterhin mit dem REACH im Austausch. Durch die verschiedenen Kontakte konnten wir ein großes Netzwerk aufbauen, sodass wir zum Beispiel auch von der hochkarätigen Forschung am CeNTech profitieren. Hilfreich für uns ist auch die Münster Nanofabrication Facility, ein gemeinsames Projekt von Wirtschaftsförderung, Wirtschaft und Uni, das uns den Zugang zur Reinrauminfrastruktur ermöglicht. Die Nutzung dieser Highend-Kapazitäten ist für unsere Arbeit existenziell, weil unsere Detektor-Chips in einem Reinraum gefertigt werden müssen. Hätten wir diese Möglichkeiten nicht gehabt, wären wir nicht in Münster an den Start gegangen. 


Das Interview ist Teil unserer Serie, in der wir in Kooperation mit der PROvendis GmbH über die erfolgreiche Zusammenarbeit von Wissenschaft und Wirtschaft berichten.

 

 

KONTEXT
28 nordrhein-westfälische Hochschulen bilden gemeinsam mit der PROvendis GmbH den Verbund NRW Hochschul-IP. Der Verbund für Intellectual Property (IP) fördert den professionellen Wissens- und Technologietransfer. Dabei steht insbesondere auch die Zusammenarbeit von Wissenschaft und Wirtschaft im Fokus – mit dem Teilprojekt innovation2business.nrw sucht und vermittelt PROvendis Technologien, Know-how oder Software aus den NRW-Hochschulen für die ganz individuellen Bedarfe von Unternehmen und Startups. Der Verbund NRW Hochschul-IP wird durch das Land Nordrhein-Westfalen gefördert, Zuwendungsgeber ist das Ministerium für Wirtschaft, Industrie, Klimaschutz und Energie.


 

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