Sebastian Borek: „Wenn wir nicht kooperieren, wird uns die Butter vom Brot genommen“

Sebastian Borek, CEO der Founders Foundation: „Wir bringen digitale Querdenker aus Startups und innovative Akteure aus der etablierten Wirtschaft zusammen, damit sie voneinander lernen können.“

Die Founders Foundation brennt dafür, die Region zum lebendigen Ökosystem für erfolgreiche Startups zu machen. Ziel ist es, Gründern optimale Bedingungen für ihre Ausbildung und Entwicklung zu bieten und den Mittelstand der Region mitzunehmen. Warum OWL keine Alternative hat, erklärt Sebastian Borek, Co-Founder und CEO der Founders Foundation, im Interview.

Herr Borek, Laut Bitkom haben kleine und mittelständische Unternehmen kaum Kontakt zu jungen technologieorientierten Unternehmen. Kooperationen mit Startups oder Beteiligungen werden hauptsächlich von großen Unternehmen geschlossen. Wie sieht es hier in unserer Region aus?

Sebastian Borek: Die Kooperation zwischen Startups und etablierten Unternehmen ist hier deutlich enger als in anderen Regionen, weil wir unsere Startup-Kaderschmiede direkt im Vorgarten der deutschen Industrie gegründet haben.
Ostwestfalen-Lippe ist stark durch den Mittelstand geprägt. Hier sind sehr erfolgreiche Unternehmen ansässig, die 16 größten erwirtschaften gemeinsam einen Umsatz von 70 Mrd. Euro weltweit und stehen damit für Wirtschaftskraft und Zukunftsfähigkeit der Region. Die Startup-Szene kann hier nicht als parallele Welt existieren, sondern nur gemeinsam mit diesen Firmen. Wir haben bereits erste Impulse gesetzt, befinden uns aber immer noch am Anfang. Es gibt keinen goldenen Weg, wie eine Zusammenarbeit aussehen kann, vielmehr ist es unsere Aufgabe, diesen gemeinsam zu erarbeiten. Dabei kommt es darauf an, Startups und traditionelle Unternehmen, die jeweils in einer anderen Welt, in zwei verschiedenen Ökosystemen leben, zusammenzubringen. Hier leisten wir mit unserer Gründerausbildung einen wichtigen Beitrag und bringen digitale Querdenker aus Startups und innovative Akteure aus der etablierten Wirtschaft zusammen, damit sie voneinander lernen können. Das ist einzigartig und hat es bisher in dieser Form noch nicht gegeben.

Wie schätzen Sie das Interesse etablierter Unternehmen an Startups ein?

Sebastian Borek: Ich bin ziemlich sicher, dass das Interesse auf beiden Seiten vorhanden ist. Viele etablierte Unternehmen möchten wissen, womit sich junge Gründer beschäftigen und wie ihre Geschäftsmodelle aussehen. Sie sind von ihrem Freigeist und ihrer unvoreingenommenen Art fasziniert, mit der sie neue Lösungen entwickeln. Startups schätzen die Kompetenzen etablierter Unternehmen, ihre Reichweite und Ressourcen, über die sie eher weniger verfügen. Sie punkten jedoch mit vielen Ideen, die die traditionellen Unternehmen weniger haben, weil sie zu sehr damit beschäftigt sind, ihr Kerngeschäft zu verbessern und zu erhalten. Das hält sie auch davon ab, über den Tellerrand zu schauen und außerhalb der Box zu denken.
Das ist eine faszinierende Situation für beide Seiten. Deshalb sucht man die Nähe, tänzelt umeinander herum und versucht Synergien zu finden.
Am Ende des Tages darf man nicht vergessen, dass Startups Firmen in Gründung und damit Experimente sind. Traditionelle Unternehmen hingegen sind erfolgreich und etabliert. Es ist nicht ausgeschlossen, dass beide den gleichen Markt und die gleichen Kunden adressieren und damit im Wettbewerb zueinander stehen können. Dann steht die Frage Kooperation oder Competition im Raum – das ist ein schmaler Grad. Am Anfang sind Startups jedoch aufgrund ihres experimentellen Status so etwas wie Research-and-Development-Einheiten, von denen sich viele Unternehmen etwas abschauen und lernen können.

Wie beurteilen Sie die Kooperationsbereitschaft von Unternehmen?

Sebastian Borek: Insgesamt nutzen wir in Deutschland unsere Ressourcen nicht intelligent genug, um die Zukunftsfähigkeit des Landes sicherzustellen. Jeder kocht seine eigene Suppe, wir sind noch viel zu dezentral aufgestellt, leben zu sehr im Wettbewerb und haben nicht erkannt, dass wir in Konkurrenz zu Asien und den USA stehen. Also, wir denken immer noch in zu kleinen Märkten. Auch Unternehmen in der Region beschäftigen sich nicht damit, wie sie miteinander kooperieren können, sondern sie versuchen ihren eigenen Wettbewerbsvorteil zu erhalten. Wir kommen nicht umhin, den Begriff Wettbewerb neu zu definieren. Wenn wir es nicht schaffen, zu kooperieren, dann wird uns die Butter vom Brot genommen. Beispiele gibt es genug, die zeigen, wie schnell sich Märkte und Geschäftsmodelle verändern. Wenn plötzlich ein Google oder ein Amazon auftaucht und in den Markt eintritt, dann ist es zu spät, um über Kooperationen nachzudenken.
Ein Beispiel aus der Musikindustrie: Ich kann mich noch gut daran erinnern, als damals die Plattenlabels überlegt haben, wie im Zuge der digitalen Distribution von Musik eine Kontrolle aussehen kann. Es folgten lange Diskussionen über eine gemeinsame Plattform und deren künftigen Namen. Das Ergebnis war ernüchternd, da Apple plötzlich auftauchte und das Geschäft machte. Wir müssen uns nicht wundern, dieses Schicksal wird auch viele Bereiche in der Region betreffen, wenn wir es nicht schaffen, uns kooperativ aufzustellen und unsere Marktmacht und -kraft sowie die Ideen der Start-ups nutzen.

Sehen Sie eine Gefahr, dass ein Mangel an Kooperationsmöglichkeiten und -wille auch negative Folgen für die Wettbewerbsfähigkeit unseres Standorts mit sich bringen kann?

Sebastian Borek: Absolut. Regionen, die wirtschaftlich kraftvoll und sehr stark sind, befinden sich per se in großer Gefahr. Ein Kontinent wie Afrika, Länder wie Indien und China, die wirtschaftlich auf- und überholen wollen und jetzt aus ihren Schlupfwinkeln hervorkommen, haben die besten Chancen, nach vorne zu gehen. Sie haben nichts, auf das sie sich ausruhen könnten. Riesengroß ist ihr Wille, ganz vorne mitzuspielen.
Von diesem Denken sind wir meilenweit entfernt, weil es uns immer noch zu gut geht. Wir müssen begreifen, dass es so nicht weitergeht.
Die Zukunft sieht nämlich alles andere als rosig aus. Sie ist geprägt von radikalen Veränderungen, die wir nicht einschätzen können. Wir müssen uns jetzt clever aufstellen, damit wir nicht von der Welle erfasst werden. Die Ausmaße sind beträchtlich, das ist vielen bewusst und darüber wird immer wieder diskutiert. Ich erinnere nur an die Themen Elektromobilität oder demografischer Wandel. Das Problem ist, es schmerzt aktuell noch zu wenig, deshalb versuchen wir es so lange zu ignorieren bis es gar nicht mehr geht.
Die früher starke regionale Textilindustrie ist ein gutes Beispiel, das zeigt, dass der technologische Wandel verschlafen und nicht auf das veränderte Endkundenverhalten reagiert wurde. Der Möbelindustrie wird es ähnlich gehen. Da werden große Player auf den Markt kommen und mit ihrer Stärke im Online-Bereich dafür sorgen, dass sich die Strukturen komplett verändern. Für uns bedeutet das, jetzt in Dinge investieren, die die Zukunft bestimmen werden.

Inwiefern stellen Sie fest, dass durch das Engagement der Founders Foundation sich ein Wandel in der Region bemerkbar macht?

Sebastian Borek: Das ist deutlich zu spüren. Es macht uns glücklich und stolz, weil wir nur erfolgreich sein können, wenn wir Mitstreiter gewinnen, die inspiriert sind und die Lust haben, die Region weiterzuentwickeln. In den vergangenen drei Jahren haben wir viel angestiftet und viele Menschen in Bewegung gebracht. Unsere verschiedenen Formate und Aktivitäten haben immer mehr Menschen begeistert, mitzumachen. Waren auf der ersten Hinterland of Things Konferenz 400 Teilnehmer, so konnten wir in diesem Jahr bereits 1.200 Interessierte gewinnen. Das gilt auch für unsere anderen Formate, wie der Hinterland Hack, wo Unternehmen spezifische Herausforderungen an Gründer stellen, damit sie sich mit interessanten Marktproblemen auseinandersetzen und Lösungen entwickeln können. Im von uns initiierten Pioneers Club sind immer mehr Unternehmen aktiv und investieren hier selbst, weil sie von dem Mehrwert überzeugt sind.
Wir haben vor kurzem eine Allianz mit elf großen Unternehmen und dem Technologienetzwerk „it’s owl” ins Leben gerufen, um gemeinsam für eine gründerfreundliche Region aktiv zu werden. Ich bin begeistert über die spontane Entscheidung der Unternehmen, Teil dieser Initiative zu sein mit der wir noch viel erreichen wollen, um ein kraftvolles Ökosystem zu kreieren.
Es gibt jedoch auch sekundäre Themen, die zeigen, dass unser besonderer Spirit ankommt: Für unsere Innenarchitektur interessieren sich etablierte Unternehmen, um sich ähnlich einzurichten. Die Art und Weise wie wir Meetings oder andere Formate organisieren, die Nutzung von außergewöhnlichen Räumen für Workshops, all das wird verstärkt nachgefragt und auch nachgeahmt. Es hat sich eine neue Kultur entwickelt, in der sich der Umgang miteinander verändert hat.
Zusätzlich und quasi nebenbei betreiben wir auch noch Regionalmarketing. Bielefeld ist in der Gründerszene als die Stadt in Deutschland platziert, in der außerhalb von Berlin extrem viel geschieht. Wir werden oft gefragt, warum wir uns gerade hier engagieren. Für uns ist klar, wenn wir im Zentrum des deutschen Mittelstands aktiv sind, dann hat das eine viel größere Implikation als wenn wir dorthin gehen, wo nur Wüste ist.
Ein weiterer sichtbarer Faktor unseres Engagements ist die Investition von sieben Millionen Euro in Startups, die wir in der Founders Foundation entwickelt haben. Ein Teil des Geldes stammt von Business Angels und Unternehmen aus der Region.
Eher unsichtbar macht sich zudem ein Tsunami breit, dessen Auswirkungen wir noch nicht sehen können. Durch unsere Aktivitäten und Programme werden weitere Menschen auf uns aufmerksam und berichten über unser Tun. All das ist wichtig und erfreulich, es wird jedoch nicht reichen, um langfristig etwas Großes zu bewegen. Es gibt immer noch zu viele Menschen, die von unserer Arbeit beeindruckt sind, aber nur zuschauen. Wer aber immer nur zuschaut und nicht mitmacht, verspielt die Zukunft Deutschlands, seine eigene und die seiner Familie.

Wenn Sie sich etwas wünschen dürften: Wie sieht das Startup-Ökosystem in der Region in fünf Jahren aus?

Sebastian Borek: Ich wünsche mir, dass viel mehr Menschen aus verschiedenen Ländern hier in der Region ein Unternehmen gründen und sich bei uns ausbilden lassen. Wir sind fest überzeugt, dass wir gute Impulse von außen benötigen.
Ein positives Zeichen wäre zudem die Einrichtung einer ständigen Vertretung des Landes Israel in der Stadt Bielefeld, damit deren Startups und unsere Talente in einen regelmäßigen Austausch treten können.  Um unsere Vision voranzubringen, wünsche ich mir signifikantes Kapital in Milliardenhöhe. Das wäre ein deutliches Signal an Gründungswillige, um sie für den Standort zu begeistern und die Region nach vorne zu bringen. Wir möchten für jeden eine wünschenswerte digitale Zukunft kreieren – dafür ist unsere Gründerausbildung sicherlich ein Herzstück.
Es darf keine Frage mehr sein, dass Ostwestfalen-Lippe als das B2B-Startup-Ökosystem weltweit gilt und unsere Startups aus der Gründerschmiede mit ihrem Know-how den neuen Mittelstand mit einem digitalen Geschäftsmodell erschaffen. Wenn es nach mir ginge, könnte das morgen bereits Realität sein. Ich weiß aber auch, dass es noch einige Zeit brauchen wird. Nicht dass Sie mich falsch verstehen, das hat nichts mit Größenwahn zu tun. Wir müssen so groß denken, weil weltweit gerade mit massiver Kraft so vieles geschieht. Wir dürfen nicht zuschauen, sondern sind gefordert, mitzumachen.
Und es ist keine Frage des Geldes, es gibt genügend Kapital in Deutschland und in der Region. Leider wird es nicht für Innovationen und für die Gründung und Ausbildung von Startups verwendet, sondern in die Bestandswahrung gesteckt. Wenn man dann hört, wie viel die Bundesregierung bereit ist, in die Künstliche Intelligenz zu investieren, muss man leider zu dem Schluss kommen, dass der Ernst der Lage nicht erkannt wird. Mit drei Milliarden Euro kommen wir nicht weit, allein in China werden 30 Milliarden in eine chinesische Stadt investiert.
Dennoch – es gibt viel Positives zu berichten. In den letzten Monaten hat sich viel bewegt, wir müssen aber noch mehr tun. Ich rufe die Familienunternehmer auf, die Kapital und Einfluss besitzen, gesellschaftliche Verantwortung zu tragen, in dem sie mit jungen Startups, Ideen und Innovationskraft eine Plattform bilden.

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