Sebastian Borek: „Wir haben Verantwortungsbewusstsein“

Sebastian Borek: „Unser Ziel ist es, die Unternehmer aus der Reserve zu locken“ (Foto: Founders Foundation)

Die Founders Foundation unterstützt Startups aus dem Technologiebereich im Gründungsprozess und schlägt eine Brücke zum Mittelstand vor Ort. Ziel ist es, ein neues innovationsgetriebenes Ecosystem zu schaffen und die Region nachhaltig zu stärken. CEO und Co-Founder Sebastian Borek über die demnächst stattfindende Konferenz „Hinterland of Things“ und die Offenheit für neues Denken. 

m&w: In wenigen Wochen findet die mittlerweile dritte Hinterland of Things statt. Welche zentralen Botschaften stehen im Mittelpunkt der Konferenz?

Sebastian Borek: Es ist keine Botschaft, die wir senden. Vielmehr haben wir versucht, einen gemeinsamen Nenner zu identifizieren. Auf der „Hinterland“ adressieren wir verschiedene Zielgruppen Startup-Unternehmer, traditionelle Unternehmer, Investoren, Medien und Menschen aus akademischen Einrichtungen. Was haben diese gemeinsam? Wir alle leben in Deutschland, in Europa und sind dabei, die Zukunft zu gestalten. Die Frage, die uns dieses Mal umgetrieben hat, lautet: Was ist unser USP (Unique Selling Proposition oder Alleinstellungsmerkmal) für Deutschland, für Europa im Vergleich zu Asien und den USA? Es gibt eine Sache, die uns verbindet, die Deutschland und Europa in der Welt attraktiv macht: Wir haben Verantwortungsbewusstsein, was im Übrigen eine unserer Kernessenzen ist. Die zahlreichen Familienunternehmen sind verantwortungsbewusst für die Mitarbeiter und deren Familien, sie tragen auch für die Region Verantwortung. Diese Stärke macht Deutschland und Europa so lebenswert und deswegen würden auch viele Chinesen am liebsten hier leben.

m&w: Verantwortung, das ist ein sehr weiter Begriff. Was bedeutet das konkret für die Themen auf der „Hinterland“?

Sebastian Borek: Wir sprechen von „responsibility“, weil dieser Begriff Interpretationsraum für jeden lässt. Die Frage der Konferenz ist nämlich, was verbindet ihr mit Verantwortung für euch, für eure Firmen, für euer Startup?, für die Technologie? Ist KI verantwortungsvoll? Ist Blockain gut oder schlecht unter dem Verantwortungsgesichtspunkt? Unterschiedliche Redner werden diese Themen aufgreifen. Der Gründer von Tier Mobility wird in seinem Vortrag „Mobility vor good“ über die verantwortungsbewusste Gestaltung der Mobilitätskonzepte der Zukunft sprechen. Seine Argumentation: Die stinkenden Autos, die herumstehen und nicht genutzt werden, sind ein Problem. Dieses Mobilitätskonzept ist nicht mehr verantwortungsvoll. Lawrence Leuschner weiß, dass sein Konzept noch nicht so klimaneutral ist, wie er sich das vorstellt. Er sagt aber auch, dass er den Weg der Verantwortung gehen und alles rigoros optimieren möchte, sodass es verantwortungsvoller wird. Dafür will er langsamer wachsen und partnerschaftlicher mit den Städten, in denen seine Roller stehen, umgehen. Die amerikanischen Mitspieler kommen nach Berlin, stellen 1000 Roller auf und schauen, was passiert. Leuschner spricht mit jedem Bürgermeister persönlich, um gemeinsam mit der jeweiligen Stadt das Konzept umzusetzen. Das ist eine andere Art, eine viel substantiellere Herangehensweise in Deutschland, die sich auch die Gründer zu eigen gemacht haben.

Wie macht sich das Thema Verantwortung in Ihrer eigenen Veranstaltung bemerkbar?

Sebastian Borek: Wir sehen Verantwortung nicht nur als Thema und gemeinsamen Nenner der „Hinterland“, sondern stellen selbstverständlich auch die Frage nach unserer Verantwortlichkeit? Wir haben uns im Vorfeld Gedanken gemacht: Ist unsere Konferenz klimaneutral? Woher kommen die Menschen? Was wird an CO2 produziert? Was essen wir? Als „fun fact“ haben wir tatsächlich schon einmal darüber nachgedacht, die Greta einzuladen. Das war vor einem Jahr etwa. Wir hatten die jüngste Astronautin aus den USA im Blick, die jetzt 13 Jahre ist, in die NASA aufgenommen wurde und mit 33 Jahren auf den Mars fliegen will. Wir haben es aus verschiedenen Gründen nicht geschafft, junge Menschen einzuladen. Dabei ist es wichtig, der Generation Z eine Stimme zu geben. Wenn wir uns mit der Frage nach der Zukunftsfähigkeit beschäftigen und jetzt besten Wissens und Gewissens etwas tun, muss das noch lange nicht erstrebenswert für die nächste Generation sein. Über diese Diskussionen kamen wir zu dem Entschluss, uns auch mit der Verantwortung für die Umwelt zu beschäftigen. Wir wollen damit auch ein wenig zum Nachdenken anregen, ohne das Thema extrem hochzuhängen. Aber es ist ein Teil der Verantwortung, weil es unser USP sein kann und es langfristig positiv ist, wenn wir verantwortungsvoll und nachhaltig sind und die SDGs, die sogenannten „Sustainable development goals“ (Anmerkung der Redaktion: Grundlage ist die Agenda 2030 der Vereinten Nationen mit 17 Zielen für eine nachhaltige Entwicklung weltweit) als Kompass im Blick haben. Diese Haltung macht Deutschland interessant, weil die Menschen dorthin gehen, wo es schön ist. Dann ist es egal, wenn China mit superschnellen Entwicklungen daherkommt, aber kein lebenswertes Umfeld schafft. Die Menschen, die Talente, kommen dann lieber zu uns.

„Unser Ziel ist es, die Unternehmer aus der Reserve zu locken“

Warum ist es für Unternehmensvertreter wichtig, die Veranstaltung zu besuchen?

Sebastian Borek: Unternehmer haben hier die Möglichkeit, sehr viele inspirierende Menschen zu erleben, junge Gründer und Startups, die von ihren tollen Entwicklungen und Projekten erzählen. All die, die auf die „Hinterland“ gehen, besuchen für eine kurze Zeit eine andere Welt. Hier können sie das Alltagsgeschäft ein stückweit vergessen, in die Zukunft eintauchen und sich inspirieren lassen. Anschließend gehen sie wieder in ihr reguläres Leben zurück – idealerweise mit unserem Mindset und neuen Kontakten.
Wir erwarten jedoch von jedem, der hierherkommt, dass er auch bereit ist, etwas zu geben. Weil wir fest davon überzeugt sind, dass in einem Raum von 100 Leuten, die auch was geben möchten, ein viel größerer Mehrwert entsteht als wenn Menschen zusammenkommen, die nur etwas nehmen wollen.
Diese Frage stellen wir im Übrigen auch bei der Bewerbung zur Teilnahme. Dem ein oder anderen mag das ungewohnt, vielleicht kompliziert erscheinen. Unser Ziel ist es, die Unternehmer aus der Reserve zu locken. Wir wünschen uns Mitstreiter. Aufgrund der räumlichen Situation können wir nur 1.300 Menschen Einlass gewähren. Von diesen erwarten wir die Bereitschaft, mitzumachen. Gleichzeitig lebt eine Konferenz von der Vielfalt, sie profitiert von der Diversität. Deshalb versuchen wir einen interessanten Branchenmix bei den etablierten Unternehmen hinzubekommen. Perspektivisch möchten wir noch mehr Frauen für eine Teilnahme ansprechen.
Bei der Sichtung der Bewerbungen versuchen wir möglichst viele Gestalter zu gewinnen. CEOs und Inhaber haben einen großen Vorteil, weil sie in der Regel gestalten können. Es gibt jedoch auch Menschen, die nicht in der Geschäftsführung sitzen, aber total passioniert sind. Sie alle möchten wir zusammenbringen und das spiegelt auch unser Konzept wider – „Everbody ist VIP“. Bei uns spielen Titel keine Rolle, auf die verzichten wir bewusst.
Erstmalig rufen wir alle Unternehmen in der Region auf, vor der Konferenz ein eigenes kleines Vorevent zu veranstalten, um sich zu zeigen: Das kann ein Mittagessen, ein Pokerabend, ein Meetup oder eine Besichtigung sein. Menschen, die von außen kommen, sollen unsere Region erleben. Das passt im Übrigen auch mehr zum Namen der Veranstaltung – es ist ein Hinterland, ein Land mit vielen Menschen, in dem man vieles erfahren kann.

Die Konferenz wird sehr stark von der englischen Sprache geprägt, aus welchen Gründen?

Sebastian Borek: Wir können nur eine offene Konferenz sein, wenn wir alle eine Sprache sprechen. Menschen, die aus Ländern wie Israel und Indien hierherkommen, würden wir automatisch ausschließen. Für nur Deutschsprachige steht jedoch ein Übersetzungsservice zur Verfügung. Im Übrigen leben wir heute in einer globalen Welt. Jedes Unternehmen, das hier aktiv ist, muss in Englisch kommunizieren. Das kostet Kraft und Mühe. Die Zukunft wird jedoch nur gestaltet, wenn wir uns anstrengen.

Wie hat das Leuchtturm-Projekt der Founders Foundation die Wahrnehmung der Startup-Szene über die Region hinaus verändert?

Sebastian Borek: Diese Frage können Außenstehende besser beantworten. Wir stellen jedoch fest, dass es immer mehr Startups gibt und unsere Arbeit Früchte trägt. Wir befähigen Menschen, diese gründen ein Unternehmen, stellen Mitarbeiter ein, das Unternehmen gewinnt Kunden. Die Menschen, die durch diesen Zyklus gehen, machen etwas. Das Ökosystem hat sich hier in Bewegung gesetzt, so wie wir uns das gewünscht haben. Das freut mich total. Darüber hinaus interessieren sich etablierte Unternehmer für unsere Büroräume, lassen sich von der Einrichtung inspirieren und übernehmen diesen Stil.
Wir sehen, dass der Pioneers Club sich sehr positiv entwickelt, immer mehr Mitglieder gewinnt und viele Events durchführt. Wir sehen, wie die Startup-Gründer sich zusammenschließen … Es macht uns stolz und glücklich. All das lässt sich leider nicht messen. Aber da ist ordentlich etwas in der Entwicklung. Mittlerweile gibt es so viele Mitstreiter.

Es gibt Kontakte in die internationale Startup-Szene, wie ist der aktuelle Stand?

Sebastian Borek: Besonders freut mich, dass wir Kontakte in die Startup-Szene in Israel, wenn auch mit einigen Umwegen, knüpfen konnten. Ich war dort und mir wurde schnell klar, dass diese Unternehmen perfekt zu uns passen würden, unsere Region und unsere Startups von ihnen profitieren könnten. Diese Macher-Typen, visionär, global denkend und vernetzend, wären eine tolle Ergänzung zu uns, die wir mehr introvertiert und fokussiert sind.
Wieder zu Hause, habe ich überlegt, wie wir zusammenkommen können. Meine Idee, diese Startups für uns zu interessieren, sie hierher zu holen, wurde von vielen als aussichtslos abgetan. Ein Israeli steige nicht ins Flugzeug und komme hierher, um Kontakte zu Unternehmen zu knüpfen, die niemand kennt. Außerdem hätten diese Startups Kontakte in den USA, da könnten wir wenig bieten.
Diese Bedenken haben uns nicht davon abgehalten, unsere Fühler weiter auszustrecken. Heute wissen wir, dass es sich gelohnt hat. Im Startup Nation Central (SNC) haben wir einen interessanten Partner gefunden, der Kontakte in alle Welt sucht. Im letzten Jahr haben wir ein Programm mit Mittelständlern wie Phoenix Contact, Miele und Gundlach für die Israeli erarbeitet. Sie sind hierhergekommen und zufrieden wieder abgereist. Im Gepäck drei neue Kunden. Das zeigt, wir haben tolle Assets und müssen nur noch die Brücke bauen.

Wie sehen Sie die Zusammenarbeit von etablierten Unternehmen und Startups? 

Sebastian Borek: Ich komme wieder auf die Frage nach dem gemeinsamen Nenner zurück: Wie können sich beide wirklich befruchten? Etablierte und Anfänger –  beide sind Unternehmen, manchmal im gleichen Markt, manchmal im Wettbewerb tätig und manche sind Innovationsträger. Es sind Unternehmen mit zwei verschiedenen Kulturen und unterschiedlichen Mindsets, in denen es manchmal Synergieeffekte gibt. Da Startups in der Regel schneller an Technologien dran sind und so auch schneller etwas entwickeln können, sind sie damit oftmals Impulsgeber für etablierte Unternehmen.
Wenn die Zahl der Startups hier in der Region weiter wächst, werden immer mehr Etablierte mit ihnen kooperieren oder sie kaufen und so ihre eigene Transformation beschleunigen. Im Grunde genommen sind Startups kleine Beiboote. Claas und Miele haben in den letzten Jahren einige Startups gekauft, um ihre Innovationsstärke zu erhöhen. Für Startups ist es wichtig zu wissen, was die Herausforderungen von Unternehmen sind, dann können sie Lösungen entwickeln und diese verkaufen. Das ist der einzige gemeinsame Nenner von Etablierten und Startups.

Untersuchungen zeigen, dass Startups in der Region Probleme haben, Mitarbeiter zu gewinnen. Wo sehen Sie mögliche Lösungsansätze?

 Sebastian Borek: In einem Startup zu arbeiten, ist anders als in einem etablierten Unternehmen tätig zu sein. Hier werden unternehmerisch denkende Menschen benötigt, die zudem auch flexibel sind und eine andere Denke mitbringen. Der Markt ist jedoch begrenzt.
Vor diesem Hintergrund haben wir die sogenannten Masterclasses entwickelt, die das Ziel haben, unsere Founders und die Menschen, die in Startups arbeiten, weiterzubilden. In der Sales-Master-Class steht zum Beispiel das Thema B2B-Sales im Fokus. Im Vertrieb haben sich die Rahmenbedingungen komplett verändert. Die Zeiten, in denen der Vertriebler ins Auto stieg, Kunden besuchte und Adresslisten pflegte, gehören der Vergangenheit an. Heute gibt es ganz andere Tools.
Wenn es um die Rekrutierung von Mitarbeitern geht, müssen wir jedoch weiterdenken und die gesamte Welt in den Blick nehmen. Für viele Tätigkeiten ist eine Präsenz vor Ort nicht mehr zwangsläufig notwendig, weil die Möglichkeiten der Kontaktaufnahme vielfältig sind. Das Telefon, Skype oder andere Tools wie Asana oder Slack erlauben es, schnell zu kommunizieren und Entscheidungen zu treffen. Es spielt keine Rolle, ob die Person auf Bali sitzt und dort programmiert. Hier muss in vielen Köpfen noch ein Umdenken in Richtung remote Arbeiten passieren. Auch zum Thema mobiles Arbeiten bieten wir Masterclasses an, die die Teilnehmer befähigen remote Teams aufzubauen.

Welche weiteren Aktivitäten und nachhaltigen Anstrengungen sind notwendig, um unsere Region für kreative Köpfe noch attraktiver zu machen?

Sebastian Borek: Die „Hinterland“ ist als Marke zu sehen, die ganzjährig kleine Events durchführt, um den Gedanken und das Feuer mit unterschiedlichen Formaten am Brennen zu halten. In 2019 ist das Projekt „Open Innovation City“ gestartet, das wir gemeinsam mit anderen Partnern initiieren. Bielefeld ist damit die erste Innovation City und hat damit die Chance, sich zu einem führenden Innovationshotspot in Deutschland zu entwickeln. Ziel des Projekts ist eine innovative Vernetzung von Wirtschaft, Hochschulen, Startups, Politik und Gesellschaft, um insgesamt die Zukunftsfähigkeit deutscher Städte weiter voranzubringen.
Wir kennen diese Art der Kooperation aus dem Softwarebereich. Hier programmiert niemand mehr allein für sich, vielmehr arbeiten viele gemeinsam an einem Projekt mit. Diesen Gedanken auf eine Region zu übertragen, nach dem Prinzip „ich gebe etwas und der andere gibt etwas zurück“, ist die Motivation. Nur so kommen wir aus dem Quark. Wir haben keine andere Wahl, weil die Entwicklung viel zu schnell vonstattengeht. Das schafft niemand allein – weder Bielefeld noch Deutschland – das funktioniert nur nach dem „Open“-Prinzip.

Weitere Informationen: www.hinterland-of-things.de

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