Dr. Andrea Hammermann, Kompetenzfeld Arbeitsmarkt und Arbeitswelt, Institut der deutschen Wirtschaft Köln e.V., über die Fähigkeiten auf dem Arbeitsmarkt der Zukunft und die Bedeutung von KI in der Personalrekrutierung.
m&w: Welche Rolle wird zukünftig die Künstliche Intelligenz (KI) bei der Rekrutierung von Mitarbeitern einnehmen?
Dr. Andrea Hammermann: Der Arbeitsmarkt wandelt sich immer mehr von einem Nachfrage- in einen Angebotsmarkt, in dem Fachkräfte zur knappen Ressource werden. Für den nachhaltigen Unternehmenserfolg in einem sich stetig wandelnden Marktumfeld ist die schnelle und passgenaue Besetzung vakanter Stellen wichtiger denn je. Mit dem Einsatz von KI-Systemen gehen die Personaler neue Wege, um die exponentiell wachsende Anzahl an digital verfügbaren Informationen für sich nutzbar zu machen.
Mit Hilfe von Sourcing Tools, Social Job Ads und Chatbots lassen sich potenzielle Bewerber identifizieren, ansprechen, auf vakante Stellen aufmerksam machen und durch den Bewerbungsprozess leiten. Personaler sparen sich damit zeitraubenden Rechercheaufwand. KI-Systeme werden aber nicht nur in der Direktansprache von Bewerbern und dem Onlinemarketing eingesetzt, sondern auch in der Vorauswahl von Bewerbern. Mittels Spracherkennung können KI-Systeme kognitive, emotionale und motivale Charakteristika einer Person erkennen und prüfen, ob das Persönlichkeitsprofil mit den Unternehmenswerten zusammenpasst.
Trotz der vielfältigen Möglichkeiten, die sich aufgrund der rasanten technologischen Entwicklung stetig verbessern, sind KI-Systeme im Personalbereich auch mit Blick auf die Akzeptanz innerhalb der Zielgruppe mit Bedacht einzusetzen. Letztlich entscheiden die Chemie und das Zusammenspiel im Team, ob die Personalauswahl erfolgreich ist. KI kann unterstützend wirken und die Personalauswahl erleichtern – die Entscheidung kann und darf letztlich aber nur durch den Menschen getroffen werden.
m&w: Welche Methoden bieten sich an, die Stärken und Schwächen von Bewerbern oder auch Mitarbeitern besser zu erkennen?
Dr. Andrea Hammermann: Die meisten Stellen werden heute mit Bewerbern besetzt, die von Mitarbeitern empfohlen und über persönliche Kontakte angesprochen wurden. Der Vorteil liegt auf der Hand: Mitarbeiter, die ihre Freunde oder Verwandten empfehlen, kennen sowohl den Arbeitgeber als auch den potenziellen Bewerber und können meist gut abschätzen, ob die jeweiligen Anforderungen und Erwartungen erfüllt sind. Auch die Personalauswahl aus dem Kreis der Auszubildenden und Praktikanten ist erfolgsversprechend, da sich Betrieb und Mitarbeiter bereits über eine längere Phase unter „realen Bedingungen“ kennengelernt haben und entscheiden können, ob es fachlich und auch menschlich passt. Hilfreich ist es darüber hinaus, im Auswahlprozess mehrere Perspektiven einzubeziehen. Bei der Besetzung von Führungspositionen beispielsweise bieten 360-Grad-Feedbacks die Möglichkeit, die Stärken und Schwächen von Mitarbeitern nicht nur aus der Perspektive des Vorgesetzten, sondern auch aus der Mitarbeiter- und Kollegenperspektive zu betrachten.
m&w: Welche Fähigkeiten sind auf dem Arbeitsmarkt der Zukunft gefragt und welche Kompetenzen sind wichtig?
Dr. Andrea Hammermann: Zweifelsohne wird die Nachfrage an Spezialisten zur Gestaltung der transformativen Technologien (beispielsweise Big Data Analysten, Robotik-Entwickler) in den nächsten Jahren weiter steigen. Für die Mehrheit der Beschäftigten dürften digitale Basiskompetenzen wie der Umgang mit Daten im Netz, Kenntnisse des Datenschutzes und digitale Wissensgenerierung weiter an Bedeutung gewinnen. Auch der Strukturwandel hin zum Dienstleistungssektor und die Automatisierung sind Treiber der sich stetig wandelnden Qualifikationsnachfrage. Der Einsatz von Computern und Robotern ist vor allem dann effizient, wenn die Arbeitsabläufe sich wiederholen und einem klaren Muster folgen. Unter diesen Voraussetzungen ist die automatisierte Arbeitsweise meist schneller und präziser – ohne menschliche Ermüdungserscheinungen. Ist hingegen originelles und unkonventionelles Denken, Empathie oder Verhandlungsgeschick gefragt, ist der Mensch überlegen.
Während die Halbwertszeit des Fachwissens in vielen, vor allen technischen Bereichen, rapide sinkt, gewinnen soziale und personale Fähigkeiten relativ an Bedeutung. Dazu zählen beispielsweise Reflexions- und Lernfähigkeit, Eigenverantwortung, Resilienz, Flexibilität und die Kommunikations- und Kooperationsfähigkeit in sozialen Gefügen. Diese oft als „Soft Skills“ bezeichnete Kompetenzen ermöglichen ein effektives Arbeiten unter sich verändernden Rahmenbedingungen. Die Veränderungsfähigkeit und -bereitschaft der Beschäftigten ist letztlich der Taktgeber für den digitalen Wandel.