Vielfalt und Digitalisierung: „Ein heterogenes Team zu führen ist schwieriger“

Vielfalt und Digitalisierung gestalten sich nicht von selbst. Warum der Erfolg von der Führungskraft und der Kultur im Unternehmen abhängt, erklärt Professorin Dr. Swetlana Franken von der Fachhochschule Bielefeld.

 

Dr. Swetlana Franken, Professorin an der Fachhochschule Bielefeld

m&w: Die Digitalisierung der Arbeitswelt stellt neue Kompetenzanforderungen an die Beschäftigten. Wo genau sehen Sie Möglichkeiten und Chancen, wenn Unternehmen mehr auf Vielfalt und „gemischte Teams“ setzen?

Prof. Dr. Swetlana Franken: Für eine menschengerechte digitale Transformation ist eine partizipative Vorgehensweise erforderlich. Verschiedene Belegschaftsgruppen sollen die Möglichkeit erhalten, sich mit ihren Sichtweisen und Ideen einzubringen, die Vor- und Nachteile von technologischen Anwendungen einzuschätzen. Außerdem braucht Arbeitswelt 4.0 Agilität. Agile Methoden leben von der Vielfalt der Beteiligten. Auch die Vermittlung von Kompetenzen für die digitalisierte Arbeitswelt funktioniert in Teams, insbesondere in gemischten Teams, am besten: Man lernt voneinander, wenn man Erfahrungen austauscht.

m&w: Was tun gegen die Schubladen im Kopf? Wie können unterbewusste Vorurteile in Bezug auf die Personalrekrutierung im Unternehmen vermieden werden?

Prof. Dr. Swetlana Franken: Eine Mammutaufgabe! In der Tat sind die Barrieren in den Köpfen die schlimmsten. Dies ist eine gesellschaftliche Aufgabe, jedoch können Personalverantwortliche und Führungskräfte dazu beitragen, indem sie sich selbst ihrer Stereotype bewusstwerden und eine Kultur der Chancengleichheit vorleben, in der Leistung und nicht Herkunft oder Geschlecht zählt.

m&w: Sie haben in Ihrer aktuellen Studie festgestellt, dass die Chefs weniger von Diversität überzeugt sind. Wo sehen Sie die Gründe für diese Ablehnung?

Prof. Dr. Swetlana Franken: Ein heterogenes Team zu führen ist schwieriger als ein homogenes. In gemischten Teams kommen kontroverse Meinungen und Konflikte vor, mit denen eine Führungskraft umgehen lernen muss. Diese Kontroversen sind jedoch ein Ausgangspunkt für neue Ideen und Lernprozesse.

m&w: Auf der anderen Seite haben Sie herausgefunden, dass viele Beschäftigte in der Zusammenarbeit von heterogenen Teams Vorteile sehen. Wie ist diese Diskrepanz zu erklären und was ist zu tun, damit diese „Lücke“ geschlossen wird?

Prof. Dr. Swetlana Franken: Diese Erkenntnisse zeigen, dass viele Beschäftigte positive Erfahrungen mit der Vielfalt in Teams gemacht haben. Dort, wo Menschen als Individuen wahrgenommen und wertgeschätzt werden, gedeihen Verbesserungsvorschläge und Innovationen. Vielleicht fehlt es den Führenden selbst an Erfahrungen mit der Diversität in Entscheidungsgremien, damit sie die Vorteile der Vielfalt schätzen lernen? Bis jetzt sind die meisten Entscheidungsgremien ziemlich homogen.

m&w: Seit einigen Jahren beschäftigen Sie sich in der „Denkfabrik Digitalisierte Arbeitswelt“ mit den Auswirkungen der Digitalisierung auf die Arbeitswelt. Welche Bedeutung hat dabei die Thematik Führung und Unternehmenskultur?

Prof. Dr. Swetlana Franken: Führung und Unternehmenskultur sind zentrale Determinanten der digitalen Transformation. In den Führungsetagen werden die strategischen Entscheidungen über die Ausrichtung des Unternehmens, neue Geschäftsmodelle und Digitalisierung getroffen. Führungskräfte sind Vorbilder für Lernprozesse, digitale Kompetenz und Agilität. In diesem Kontext ist die Bedeutung der Unternehmenskultur enorm, da ihre Werte darüber entscheiden, ob und wie die Belegschaft an der Gestaltung von Digitalisierung und Veränderung beteiligt wird, ob Freiräume für Initiative und Fehler existieren, ob ein positives Miteinander funktioniert. Deswegen wählen erfolgreiche Unternehmen ihre Führungskräfte mit Bedacht und arbeiten kontinuierlich an ihrer Innovations- und Fehlerkultur.

m&w: Ein Blick in die Praxis: Können Sie an einem Beispiel verdeutlichen, wo der Mehrwert für Unternehmen durch diverse Teams offensichtlich wird?

Prof. Dr. Swetlana Franken: Ein einfaches Beispiel dafür ist ein Innovationsteam. Um Ideen für neue Produkte und Geschäftsmodelle zu kreieren, braucht man jüngere Beschäftigte, die als Digital Natives spielend mit der Technik umgehen, in Social Media zu Hause sind und einen frischen Blick auf Prozesse und Abläufe in Unternehmen haben, aber auch ältere Beschäftigte, die wertvolles Erfahrungswissen und Methodenkompetenzen besitzen. Außerdem sind Spezialisten aus verschiedenen Fachbereichen wie Entwicklung, Produktion, Personal, Marketing und Finanzen erforderlich, um verschiedene Aspekte einer künftigen Innovation zu berücksichtigen. Will man dabei ein Produkt für Männer und Frauen, für den deutschen und internationalen Markt entwickeln, sind Experten gefragt, die entsprechende Bedürfnisse, Besonderheiten und Mentalitäten verstehen. Allerdings setzt eine erfolgreiche Zusammenarbeit in einem solchen Team Offenheit und gegenseitiges Vertrauen voraus, das heißt, die Vielfalt und ihre Vorteile sollen thematisiert und gefördert werden.

„Vielfalt+ Check“ ...
…ist ein Online-Tool der „Denkfabrik digitalisierte Arbeitswelt“, mit dem Unternehmen eine Selbsteinschätzung in Hinblick auf Vielfalt und Inklusion in der eigenen Organisation vornehmen und Handlungspotenziale erkennen können.

Beitragsfoto: Kundisch-©Bakhtiar-Zein_123rf.com

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