Die technotrans SE, global agierender Technologie- und Dienstleistungskonzern mit Sitz im Münsterland, sucht in vielen Bereichen Fachkräfte. Timo Sterzl, Global Head of Human Resources, über Mitarbeiterrekrutierung aus dem Ausland und wie Integration gelingt.
m&w: Nur wenige Unternehmen setzen auf die Rekrutierung von Mitarbeitern aus dem Ausland, obwohl hier ein großes und weitgehend ungenutztes Potenzial steckt. Das hat eine aktuelle Studie der Bertelsmann Stiftung bestätigt. Welche Bedeutung hat das Ausland für die Rekrutierung von Fachkräften in Ihrem Unternehmen und wo suchen Sie derzeit am stärksten – europaweit oder außerhalb von Europa?
Timo Sterzl: Auch technotrans nutzt die Rekrutierung von Mitarbeitenden im Ausland. Schwerpunktmäßig suchen wir neue Kolleginnen und Kollegen im standortnahen, europäischen Ausland. Die Niederlassung in Baden-Baden beispielsweise liegt nah an Frankreich, dort rekrutieren wir auf allen Ebenen und für alle Qualifikationen im Elsass: sei es Produktion, Vertrieb oder Einkauf. Ebenso am Standort Bad Doberan in der Nähe von Rostock. Dort nutzen wir die Nähe zu Polen. Aufgrund des starken Unternehmenswachstums suchen wir dort dringend gewerbliche Fachkräfte. Zudem haben wir – in Zusammenarbeit mit einem Partner – Mechatroniker für Kältetechnik in Nordspanien gewonnen. Nur wenige Unternehmen bilden in diesem Bereich aus. Daher haben wir grenzübergreifend Kolleginnen und Kollegen für die Fertigung gesucht. Wir sind stolz darauf, dass wir diese Mitarbeitenden langjährig im Unternehmen halten können – trotz des eher regnerischen Wetters in Sassenberg.
m&w: Sind Sie in Ihrem Unternehmen zurzeit mit dem Fachkräftemangel konfrontiert?
Timo Sterzl: Absolut, der Fachkräftemangel hat auch technotrans voll erfasst. Der Konzern wächst stark, beispielsweise auf dem Markt der Elektromobilität. Daher spüren wir in allen Bereichen, je nach aktuellem Bedarf, einen deutlichen Mangel an Fachkräften. In der eher strukturschwachen Region um Bad Doberan besonders. Innerhalb weniger Jahre ist der Standort von rund 110 auf 200 Mitarbeitende gewachsen, da haben wir neue Kolleginnen und Kollegen in Polen gesucht. Seit etwa eineinhalb Jahren zeigt sich der Mangel auch merklich in der Sassenberger Zentrale.
m&w: Welche Zielgruppe (Qualifikationen) adressieren Sie und für welche Tätigkeiten suchen Sie am stärksten?
Timo Sterzl: Wir suchen qualifikations- und tätigkeitsübergreifend neue Mitarbeitende. Kürzlich haben wir in Steinhagen-Brockhagen zur Kapazitätserweiterung ein weiteres Gebäude angemietet und es galt, innerhalb von drei Monaten 30 Fachkräfte zu finden. Das war schwerpunktmäßig im gewerblichen Bereich, aber wir suchen ebenfalls ständig Ingenieure für Entwicklung und Mobility.
m&w: Mit welchen Hindernissen und Problemen werden Sie bei der Mitarbeiterrekrutierung konfrontiert?
Timo Sterzl: Die zentrale Herausforderung besteht darin, dass wir auf einem Bewerbermarkt agieren: Es gibt weniger qualifizierte Fachkräfte und diese werden von Unternehmen angesprochen, anstatt sich selbst zu bewerben. Das macht es sehr schwierig, überhaupt Kontakt zu ihnen aufzunehmen. Die Antwortrate ist niedrig, weil sie von unzähligen Unternehmen kontaktiert werden. Darauf haben wir mit einer eigenen Recruiting-Abteilung reagiert, welche „Active Sourcing“ betreibt und die potenziellen neuen Arbeitskräfte gezielt und individuell anspricht. Und auch die Qualität der Hochschulausbildung ist für uns oftmals ein Hindernis. Es ist es nicht immer einfach, geeignete Absolventen zu finden.
m&w: Was bieten Sie den neuen Mitarbeitenden und was tun Sie für deren Integration?
Timo Sterzl: Bereits im Rekrutierungsprozess binden wir die Bewerber früh ein: Sie erhalten die Möglichkeit, Kollegen und Arbeitsplatz kennenzulernen. Da beginnt für uns das Onboarding. Bevor die Mitarbeitenden angefangen haben zu arbeiten, schalten wir bereits die Zugänge zum Intranet und zu unserer Info-App frei und laden die künftigen Kolleginnen und Kollegen zu Teamevents ein. Natürlich bieten wir auch viele Benefits wie eine Einkaufskarte oder eine betriebliche Krankenversicherung. Die sind meiner Erfahrung nach allerdings nicht allein ausschlaggebend. Wir verfolgen die Strategie, auch unpopuläre Dinge bereits im Rekrutierungsprozess offen zu kommunizieren. Mit Erfolg: Wir haben eine Frühfluktuationsquote von null Prozent. Außerdem führen wir Exit-Interviews und Mitarbeiterbefragungen durch. Die Erkenntnisse daraus nutzen wir, um die Arbeitsbedingungen weiter zu optimieren. Wir kommunizieren sehr transparent, das schätzen unsere Mitarbeitenden. Speziell den im Ausland rekrutierten Fachkräften stellen wir Mentoren zur Seite, die sie in der Anfangszeit begleiten und immer erster Ansprechpartner sind. Wir bieten beispielsweise auch Sportgruppen an, die zusätzlich zur Integration beitragen.
m&w: Warum setzen Sie auf kulturelle Vielfalt und wo sehen Sie Chancen, wenn Menschen verschiedener Herkunft in Ihrem Unternehmen arbeiten?
Timo Sterzl: technotrans arbeitet scherpunktmäßig im Projektgeschäft – da sind vielfältige Arbeitsgruppen von Vorteil. Aus verschiedenen Perspektiven auf Problemstellungen zu schauen, ist in allen Bereichen sinnvoll, nicht nur in technischen. Mit vorgefasster Meinung an ein Projekt heranzugehen, ist nicht erfolgversprechend. Vielmehr entstehen tolle Produkte, wenn Menschen verschiedener Herkunft zusammenarbeiten und gemeinsam neue Lösungen entwickeln.
m&w: Wie viele Beschäftigte haben in Ihrem Unternehmen einen Migrationshintergrund bzw. stammen nicht aus Deutschland? Wie viele Nationalitäten gibt es?
Timo Sterzl: Rund 270 unserer mehr als 1.500 Mitarbeitenden haben keine deutsche Staatsangehörigkeit (Stand: Februar 2023). Knapp 40 Nationalitäten kommen bei technotrans zusammen – auch aus dem nichteuropäischen Ausland. Den größten Anteil bilden aber durch die Grenznähe in Baden-Baden französische Mitarbeitende.
m&w: Was empfehlen Sie anderen Unternehmen, die noch wenig Erfahrung bei der Rekrutierung von Fachkräften aus dem Ausland haben?
Timo Sterzl: Meine Empfehlung lautet: Nutzen Sie Ihr Netzwerk. Sich mit anderen Unternehmen zusammensetzen und von deren Erfahrungen profitieren: Das hilft sehr zu Beginn. Meiner Erfahrung nach sind viele dem gegenüber auch sehr aufgeschlossen und unterstützen gerne – auch wenn man dann im späteren Verlauf potenziell um Kandidaten konkurriert. Im ersten Schritt ist auch die Zusammenarbeit mit Dienstleistern sinnvoll, von denen man sich später, je nach Bedarf, wieder lösen kann.