Hinter dem Trendbegriff Künstliche Intelligenz (KI) stecken wichtige Technologien, mit denen auch kleine und mittlere Unternehmen ihre Wertschöpfung zukunftsfähig aufstellen. Dr. Thorsten Jungeblut, Akademischer Oberrat in der AG Kognitronik und Sensorik, Universität Bielefeld; Dr. Sebastian von Enzberg, Gruppenleiter Produktionsmanagement am Fraunhofer IEM in Paderborn, und Jens Eickmeyer, Wissenschaftlicher Mitarbeiter in der Forschungsgruppe Maschinelles Lernen, Fraunhofer IOSB-INA in Lemgo, arbeiten als KI-Trainer für den Mittelstand in OWL.
m&w: Herr Jungeblut, die Digitalisierung als großes Zukunftsthema beschäftigt die gesamte deutsche Wirtschaft – aber was bedeutet die Digitalisierung für die vielen kleinen und mittelständischen Unternehmen, die nur begrenzte Ressourcen für die Bearbeitung von zukunftsgerichteten Themen bereitstellen können. Können KI-Trainer das Problem lösen?
Dr. Thorsten Jungeblut: Die Digitalisierung ist eines der Schlüsselthemen, die der deutschen Wirtschaft auch in Zukunft Wettbewerbsfähigkeit und Marktführerschaft sichern können. Im Gegensatz zu großen Unternehmen verfügen kleine und mittlere Betriebe aber nicht über große Entwicklungsabteilungen, die sich mit innovativen Zukunftsthemen beschäftigen können, bzw. diese sind durch das aktuell noch gute Tagesgeschäft ausgelastet. Künstliche Intelligenz und Maschinelle Lernverfahren versprechen eine höhere Flexibilität und Effizienz in immer stärkerer spezialisierten Produktionsabläufen und Produkten. Baut ein Unternehmen kein Know-how in der Anwendung dieser Methoden auf, droht es den Anschluss an den Wettbewerb zu verlieren. Die KI-Trainer des Kompetenzzentrums Digital in NRW richten ihre Arbeit genau an der dafür benötigten Befähigungskette aus.
m&w: Wie wird man KI-Trainer im „Digital in NRW-Kompetenzzentrum“?
Dr. Sebastian von Enzberg: Die Region OWL verfügt als einer der drei Standorte von Digital in NRW über vielfältiges Know-how im Bereich Künstliche Intelligenz. So auch unsere drei Partner: Das CITEC ist Experte in intelligenter Robotik, das Fraunhofer IEM forscht an der Frage, wie KI sowohl die Produktentstehung als auch die Produktion optimiert und das Fraunhofer IOSB-INA bringt seit Langem Maschinelles Lernen für produktionsnahe Anwendungen in die Praxis. Wir wollten für den Mittelstand in OWL Experten aller drei Partner aufbauen – die eng zusammenarbeiten und sich stetig austauschen.
mw: Wie finanziert sich Ihre Trainertätigkeit?
Dr. Sebastian von Enzberg: Das Bundeswirtschaftsministerium unterstützt bundesweit 25 Kompetenzzentren für die Digitalisierung im Mittelstand, davon erhalten seit diesem Jahr einige weitere eine Förderung, um gezielt Angebote für das Thema Künstliche Intelligenz zu machen. Digital in NRW erhält so insgesamt rund eine Million Euro, um verschiedene Formate zu entwickeln. Unsere KI-Trainer gehören dazu. Als Trainer haben wir also die Möglichkeit, uns NRW- und bundesweit zu vernetzen.
m&w: Beinhaltet Ihre Tätigkeit in erster Linie die Vermittlung von Kompetenzen oder haben Sie eher eine unterstützende Funktion?
Jens Eickmeyer: Unsere Aufgaben als KI-Trainer sind sowohl unterstützend als auch vermittelnd. In einem ersten Schritt informieren wir kleine und mittlere Unternehmen über die Bedeutung und Chancen von Künstlicher Intelligenz. KI soll kein Selbstzweck sein. Deshalb stellen wir in weiteren Schritten heraus, wie Betriebe die Fülle an KI-Technologien zielsicher und gewinnbringend nutzen können, für welche Teile des Unternehmens es sich lohnt, KI-Projekte umzusetzen und wie sie KI-Werkzeuge nutzenbringend einsetzen. Speziell für Letzteres ist es auch unsere Aufgabe, zu schulen und über unternehmenseigene KI-Multiplikatoren Kompetenzen innerhalb der Betriebe zu aufzubauen.
m&w: Wie können Sie hier konkret als KI-Trainer unterstützen? Begleiten Sie Unternehmen über einen längeren Zeitraum?
Dr. Sebastian von Enzberg: Seit Start von Digital in NRW haben sich verschiedene Formate bewährt, mit denen Unternehmen auf verschiedenen Kenntnisstufen in das Themenfeld Digitalisierung einsteigen und sich weiterentwickeln können. Diese Formate bieten wir auch für Künstliche Intelligenz an. Betriebe haben die Möglichkeit, unsere Experten zu einem persönlichen Erstgespräch einzuladen, in Potenzialanalysen gehen wir tiefer ins Thema. Auf Fachveranstaltungen, wie im Oktober zu Data Science in Paderborn, können Unternehmensvertreter neue Impulse sammeln und sich austauschen. Darüber hinaus gibt es in OWL immer mal wieder Fördermöglichkeiten für den Mittelstand, zu denen wir beraten können.
An wen richten Sie sich, die Mitarbeiter und/oder die Führungskräfte?
Jens Eickmeyer: Im ersten Schritt richten sich unsere Angebote an Führungskräfte. Genau wie bei einer Agenda für die Digitale Transformation, braucht es für die KI eine zentral aufgehängte Strategie in den Unternehmen. Es ist also wichtig, dass die Führungskräfte wissen, wie KI in ihrem Unternehmen konkret genutzt werden kann. Ebenso wichtig ist es, dass die Führungskräfte einschätzen können, was die Bedingungen und die Grenzen beim Einsatz von KI-Technologien sind. Nur so lassen sich realistische und gewinnbringende Entscheidungen treffen. Bei Konzeptphasen und Umsetzungsprojekten richten sich die Tätigkeiten des KI-Trainers dann auch an die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Hier geht es um die konkrete Planung zur Umsetzung von Projekten sowie die Schulung der Belegschaft.
m&w: Stichwort Datenerhebung und -auswertung: Vor welchen Herausforderungen stehen KMU, um die Potentiale von KI im Unternehmen zu erkennen?
Dr. Thorsten Jungeblut: Die größte Herausforderung besteht darin, zu erkennen, ob und in welcher Form Künstliche Intelligenz in der Produktion oder den Produkten des Unternehmens eingesetzt werden kann, und ob nicht klassische Verfahren ausreichen. Diese Einschätzung basiert auch auf den zur Verfügung stehenden Daten. Nur durch eine gute, gegebenenfalls annotierte Datenbasis kann das hohe Potenzial der Künstlichen Intelligenz und Maschineller Lernverfahren voll ausgeschöpft werden.
Ein Beispiel aus der Praxis: Wo kann der Einsatz von KI konkret, beispielsweise im Produktionsumfeld einen Mehrwert generieren?
Jens Eickmeyer: Themen der KI können immer dann einen Mehrwert generieren, wenn schnell Entscheidungen getroffen werden müssen. Ein konkretes Beispiel ist die Nutzung von optischen Systemen zur Qualitätsüberwachung im Bereich der Kunststoffproduktion. Heutzutage gibt es in der Branche aus Kostengründen keine hundertprozentige Überprüfung der Ware. Mit einem Kamerasystem und einer angelernten KI könnten in Sekundenbruchteilen einzelne Produkte überprüft werden. Bezieht die KI dabei sogar noch die Prozessparameter bei der Herstellung des Produktes ein, lässt sich ein hoher Qualitätsstandard sicherstellen.
Weitere Informationen: www.digital-in-nrw.de/ki-trainer
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