Was beschäftigt Sie…?
Nina Schweitzer, Geschäftsleitung von Startup Teens
m&w: Warum haben Sie die Startup Teens gegründet und was wollen Sie erreichen?
Nina Schweitzer: Wir sind der Meinung, dass insbesondere bei jungen Menschen (unsere Zielgruppe sind Schülerinnen und Schüler zwischen 14 und 19 Jahren sowie unsere Alumni bis Ende 20) Futureskills gefördert werden müssen, die in der Schule kaum verankert sind, wie unternehmerisches Denken und Handeln oder Coding. Diese Fähigkeiten brauchen sie für ihre berufliche Zukunft.
m&w: Können Sie Ihr Konzept bzw. Ihr Geschäftsmodell grob skizzieren?
Nina Schweitzer: Wir sind das hochkarätigste Netzwerk für die Innovatorinnen und Innovatoren von morgen und haben in den letzten neun Jahren den reichweitenstärksten YouTube-Kanal (93.700 Abonnenten und über 150 spannenden Lernvideos) für Entrepreneurship Education bei Jugendlichen in Deutschland aufgebaut. Unser Mentoring-Netzwerk umfasst inzwischen mehr als 1.000 ehrenamtlich tätige Mentorinnen und Mentoren bundesweit, die Jugendliche dabei unterstützen, ihre unternehmerische Idee aufs nächste Level zubringen. Unsere Businessplan-Challenge ist mit sieben Mal 10.000 Euro Preisgeld der höchstdotierte Businessplan-Wettbewerb für Schülerinnen und Schüler in Deutschland. Inzwischen sind wir darüber hinaus mit zwei regionalen Challenges in Bayern und Westfalen unterwegs. Unsere Events und Ideen-Camps geben Inspiration, eigene Ideen umzusetzen und konkrete Anleitung bei der Entwicklung von Problemlösekompetenzen. Unser zweites Social Business Gen Talents entwickelt Antworten auf die Fragen, wie wir in Zukunft arbeiten wollen und wie sich New Work, Diversität, generationenübergreifendes Arbeiten und New Leadership in Unternehmen integrieren lassen, um sie zukunftsfähig zu halten. Die bei Gen Talents generierten Gewinne befähigen und fördern wiederum weitere Jugendliche bei Startup Teens.
m&w: Warum liegt Ihnen die Förderung des Unternehmertums am Herzen und warum ist es so wichtig, besonders junge Menschen zur Gründung zu motivieren?
Nina Schweitzer: In einem Land, in dem der einzige Rohstoff geistiges Kapital ist, brauchen wir ein unternehmerisches Mindset in den Köpfen der nachfolgenden Generationen sehr dringend, wenn wir auch künftig noch innovations- und wettbewerbsfähig sein möchten.
m&w: Sie haben auf Ihrer Westfalen-Tour Workshops für Schülerinnen und Schüler angeboten. Welche Inhalte standen hier im Fokus und welche Kompetenzen vermittelten Sie dort?
Nina Schweitzer: Bei den regionalen Challenges – als Vorstufe zu unserem nationalen Businessplan-Wettbewerb – geht es uns darum, Schülerinnen und Schüler darauf aufmerksam zu machen, dass Problemlösekompetenzen der erste Schritt für die Entwicklung von Ideen sind. In den Workshops erarbeiten wir mit Modulen aus dem Design Thinking und Lean Startup in Gruppen Geschäftsideen aus Problemstellungen aus dem Lebensumfeld der Jugendlichen. Diese Ideen können bereits die Grundlage für eine Teilnahme an der Westfalen-Challenge sein. Sind die Jugendlichen erst diesen ersten Schritt gegangen, ist der Weg zu einem vollumfänglichen Businessplan für die nationale Challenge nicht mehr weit. Ganz generell wollen wir gemeinsam mit starken Partnern vor Ort, wie der Stiftung Westfalen-Initiative für Eigenverantwortung und Gemeinwohl, eine initiative und eigenverantwortliche Grundhaltung fördern und Unternehmertum erlebbar machen. Es geht darum, Schülerinnen und Schüler zu befähigen, selbst Ideen zu entwickeln und sich ein unternehmerisches Mindset anzueignen. Ganz unabhängig davon, ob sie später Gründerinnen oder Gründer oder unternehmerisch denkende Angestellte werden möchten.
m&w: Das Bild über die Generation Z ist in der Unternehmenswelt gespalten. Viele Verantwortliche halten sie für schwierig und zeigen wenig Einsatzbereitschaft.
Nina Schweitzer: Im War-for-Talents, der sich im Fachkräftemangel weiter zuspitzen wird, müssen Arbeitgeber umdenken und überlegen, wie sie junge Talente für sich überzeugen. Flexibilität, Verantwortung und Fokus auf Werte wie Nachhaltigkeitsbewusstsein werden eine immer größere Rolle spielen. Es geht nicht um die Hängematte, Yoga oder Obstkörbe, sondern um die Pflicht von Führungskräften, jede(n) individuell zu betrachten und sich zu fragen, wo und wie kann der oder die Einzelne sich bestmöglich einbringen? Wir dürfen uns Neuem nicht verschließen. Die Diskussion um Remote work darf dabei nicht auf dem Rücken derer geführt werden, die die Wertschöpfung vor Ort schaffen.
m&w: Welche Erfahrungen machen Sie mit den jungen Menschen?
Nina Schweitzer: Wir erleben die jüngeren Generationen als purpose- und wertegetrieben. Sie möchte etwas zum Besseren verändern. Dazu braucht sie den Mut, anzufangen und das Vertrauen, etwas bewegen zu können. Das Durchhaltevermögen weiterzumachen und beharrlich zu sein und eine ganz andere Fehlerkultur. Wir werden darauf konditioniert, keine Fehler zu machen und Risiken zu vermeiden. Wir brauchen aber die Fähigkeit, Fehler zuzulassen, aus ihnen zu lernen und Risiken einschätzen zu können.
m&w: Die Westfalen-Tour ist ein Baustein Ihres Engagements. Was passiert darüber hinaus?
Nina Schweitzer: Wir sind kein Wettbewerbs-, sondern ein Praxisprojekt. Das heißt, junge Menschen können sich zeitlich unbegrenzt und jederzeit mit ihren Ideen an uns wenden. Wir sorgen über unsere Challenges hinaus für Wissenstransfer, Hilfestellung und Unterstützung durch ein riesiges Netzwerk. Wir bieten jeder und jedem, die/der sich für Future Skills und die Herausforderungen der Zukunft interessiert, eine Anlaufstelle.
m&w: Was versprechen Sie sich langfristig von Ihrem Engagement und wie sieht Ihre bisherige Bilanz aus?
Nina Schweitzer: Wir möchten erreichen, dass es in diesem Land künftig wieder mehr Innovation, junge Gründer und vor allem Gründerinnen gibt und viel mehr unternehmerisch denkende Angestellte. Dass der Weg über Befähigung, positive Role Models und Netzwerk funktioniert, zeigen unsere Alumni, die nach Ausbildung oder Studium mit ihren unternehmerischen Fähigkeiten als Intrapreneurinnen und Intrapreneure in Unternehmen eintreten, sowie die Jugendlichen, die ihre Ideen gründen. Zum Beispiel das Freundespaar aus Aachen, das mithilfe unserer Module eine innovative Fahrradtasche entwickelte, noch während des Schulabschlusses gegründet hat und heute seine Taschen erfolgreich vermarktet. Oder die Schülerin aus Münster, die eine Notfall-App für Frauen konzipierte, die es heute in jedem App-Store gibt. Oder die preisgekrönte, Gen Z geführte Social-Media-Agentur, die Brands dabei hilft, Produkte, Kampagnen und Ideen für junge Generationen zu entwickeln und deren Gründer ein Startup Teens Alumnus aus Hamburg ist.
m&w: Was können wir von anderen Ländern hinsichtlich der Gründungsbereitschaft lernen?
Nina Schweitzer: Dem Global Entrepreneurship Monitor 22/23 liegt Deutschland auf dem beschämenden 29. Platz von 49 untersuchten Nationen, wenn es um Entrepreneurship Education at school geht. Es bleibt enttäuschend, dass die viertgrößte Volkswirtschaft der Welt so wenig in die unternehmerische Bildung des eigenen Nachwuchses investiert. Auf den vorderen Plätzen liegen Nationen wie Israel, die Vereinigten Arabischen Emirate oder die Niederlande. Die oben genannten Beispiele zeigen, wie wichtig die Förderung von Entrepreneurship Education schon zu einem frühen Zeitpunkt ist. 64 Prozent der 16- bis 25-Jährigen in Deutschland möchten ihre eigene Idee als Entrepreneurin oder Intrapreneur verwirklichen, fühlen sich nur leider durch ihre Schul- und Ausbildung nicht dazu befähigt. Länder wie die Niederlande, Norwegen, die Schweiz, Schweden oder Kanada haben die Bedeutung von Entrepreneurship Education schon längst erkannt und profitieren massiv von diesen positiven Effekten: signifikant mehr Gründungen nach der Schulzeit, nachhaltig erfolgreichere Unternehmen und ausgeprägte Intrapreneurship-Kultur im Unternehmen.
Startup Teens füllt als außerschulisches Projekt diese Lücke in Deutschland und befähigt junge Menschen unternehmerisch und problemlösungsorientiert zu denken und fördert die Umsetzung eigener Ideen.
Kontext
Gründungsgeist zu entfachen und die junge Generation zu befähigen, die Herausforderungen der Zukunft zu lösen, ist die Mission der 2015 von sechs jungen Unternehmerinnen und Unternehmern gegründeten Non-Profit-Initiative STARTUP TEENS. Heute gehören Persönlichkeiten wie Marie-Christine Ostermann (Rullko), Daniel Krauss (FlixBus), Anna Viegener (Viega Holding), Kim Höhne (UVentures), Andreas Krengel (WEPA), Dr. Anna Weber (BabyOne), Lutz Goebel (Henkelhausen), Inga Dransfeld-Haase (BP) oder Dr. Britta Giesen (Pfeiffer Vacuum Technology AG) zum Gesellschafter- und Beiratskreis.