Prof. Dr. Sebastian Vogt, Geschäftsführer des Technologietransfer- und Existenzgründungs-Center der Universität Paderborn (TecUP), über das Potenzial einer Startup-Spitzenregion, aktuelle Herausforderungen und bisher Erreichtes.
m&w: Hochschulen als Ideenschmieden spielen eine zentrale Rolle für ein lebendiges Innovationsgeschehen. Gründungen durch Studierende und Forschende sind ein Weg, um Innovationen in Form von Ideen, Technologien und Wissen aus der Hochschule in die Gesellschaft zu tragen. Hierfür bedarf es eines wirkungsvollen Gründungsklimas an den Hochschulen. Was geschieht hier bereits in der Region?
Dr. Sebastian Vogt: Erfolgsgeschichten wie Facebook, google, Tesla und Co. haben das Thema „Startup“ mitten in die Gesellschaft getragen. Nicht zuletzt erkennt man dies an Fernsehformaten wie „Die Höhle der Löwen“, bei welcher sich der Zuschauende in die Rolle eines Startup-Investors versetzen kann. Das Thema Startup ist hip! Auch wenn es schon immer Ausgründungen aus Hochschulen gegeben hat, so hat das Startup-Thema in den vergangenen Jahren immens an Bedeutung gewonnen. Vor allem die politische Diskussion der vergangenen Jahre hat dazu beigetragen, die Thematik noch stärker in den Hochschulen zu verankern und im Sinne eines erfolgreichen Transferbausteins strategisch zu forcieren. Vor ziemlich genau 20 Jahren wurde an der EBS Universität für Wirtschaft und Recht in Wiesbaden die erste Entrepreneurship-Professur an einer deutschen Hochschule berufen. Heute sind es bundesweit über 150 gründungsnahe Professuren, die das Thema Unternehmertum in die akademische Ausbildung tragen. Auch die nordrhein-westfälische Landesregierung hat das Potential erkannt und das Ziel ausgegeben, Gründerland Nummer eins zu werden. Hochschulausgründungen spielen in dieser Zielsetzung eine zentrale Rolle, da aus exzellenter Forschung auch exzellente Unternehmen hervorgehen können. Vor diesem Hintergrund hat die Landesregierung das Programm der Exzellenz Start-up Center.NRW ausgelobt. Da die Universität Paderborn mit ihrem Technologietransfer- und Existenzgründungs-Center (TecUP) aufgrund der exzellenten Ausgangsbasis in der hochschulweiten Gründungsförderung gut aufgestellt ist, konnten wir uns in dieser Exzellenzförderung erfolgreich durchsetzen und zählen heute zu einem von insgesamt sechs „Exzellenz Start-up Center.NRW“. Mit über 200 Ausgründungen und 8.500 hierdurch geschaffenen Arbeitsplätzen, TOP-Platzierungen in Gründungsrankings und Förderprogrammen, als zentraler Standort OWL-weiter Gründungsprogramme wie dem Innovationslabor OWL oder dem Business Angel Netzwerk OWL (BAN.OWL), mit dem Aufbau des einzigen auf OWL fokussierten Venture Capital Fonds (Technologiefonds OWL) sowie dem Innovationsquartier garage33 als Leuchtturm für Startups und Corporate Entrepreneurship, bietet die Universität Paderborn die ideale Basis zum Aufbau eines Exzellenz Start-up Centers in Ostwestfalen-Lippe.
m&w: Wo sehen Sie noch Handlungsbedarf?
Dr. Sebastian Vogt: Auch wenn wir hier auf dem besten Weg sind, eine Startup-Spitzenregion zu werden, so sehe ich noch verschiedenste Ansatzpunkte, in denen wir stärker werden müssen. Ein wesentliches Element ist sicherlich der Zugang zu Wachstumskapital. Wenngleich wir mit dem BAN.OWL, in welchem das TecUP aktuell mehr als 120 Investoren organisiert hat, sowie dem durch das TecUP mitinitiierten Technologiefonds OWL erste, signifikante Wagniskapitalstrukturen aufbauen konnten, so kann dies dennoch nur der Anfang sein. Im Vergleich zu führenden Startup-Regionen haben wir an dieser Stelle sicherlich noch weiteren Nachholbedarf. Um bedeutende Investoren und große Venture Fonds in die Region zu locken, bedarf es einer ausreichenden Masse an qualitativ hochwertigen Startups, so dass diese genügend Investitionspotential vorfinden. Ich freue mich daher immens, dass wir als Exzellenz Start-up Center.NRW diese auch hochschulübergreifenden Strukturen aufbauen dürfen, um nachhaltige Gründungsförderung auf Spitzenniveau über die gesamte Region etablieren zu können.
m&w: Es hat sich in den letzten Jahren zwar einiges in der Region getan, dennoch ist die Bereitschaft ein Unternehmen zu gründen, immer noch auf einem niedrigen Niveau? Was muss getan werden, um das Gründen attraktiver zu machen?
Dr. Sebastian Vogt: Zumindest für die Universität Paderborn kann ich das von Ihnen angesprochene, niedrige Niveau, nicht erkennen. Ganz im Gegenteil. Als das TecUP 2014 durch das Präsidium der Universität initiiert wurde, da wurden jährlich vielleicht fünf Gründerteams durch uns betreut und gecoacht. Auf Basis unserer langjährigen Sensibilisierungs- und Qualifizierungsaktivitäten durch universitäre Lehrveranstaltungen oder auch außercurriculare Angebote wie beispielsweise dem Ideenwettbewerb Call for Ideas konnten wir die Anzahl der betreuten Startups auf heute mit mehr als 50 Teams pro Jahr mehr als verzehnfachen. Dies zeigt, dass das Gründen nicht unbedingt attraktiver gemacht werden muss. Meines Erachtens sollte die Thematik jungen Menschen durch Sensibilisierung und Qualifizierung überhaupt erst einmal als ernsthafte Karriereperspektive vermittelt werden. Nicht jede Studentin oder jeder Student denkt beim Thema Karriereplan direkt an die Option, selbst ein Unternehmen zu gründen. Ich glaube, dass wir hier in den vergangenen Jahren bereits wertvolle Pionierarbeit geleistet haben. Zeitgleich stimme ich Ihnen zu, dass wir genau an dieser Stelle noch aktiver werden können, um weiter Studierende aus den unterschiedlichsten Fakultäten und Disziplinen für die Thematik Unternehmertum zu begeistern. Um dieser Herausforderung gerecht zu werden, haben wir beispielsweise in unserem Exzellenz-Programm zwei Entrepreneurship-Professuren eingeworben, von denen jeweils eine an der FH Bielefeld sowie der TH OWL Sensibilisierungs- und Qualifizierungsaufgaben vorantreibt.
m&w: Inwiefern spielen Hochschulausgründungen eine zentrale Rolle für den Wirtschaftsstandort OWL?
Dr. Sebastian Vogt: Seit Gründung der garage33 in 2017 haben wir in mehr als 250 Events mehr als 8.000 Teilnehmer erreicht. Aus den betreuten Gründungsprojekten sind über 70 realisierte Startup-Gründungen hervorgegangen, die über 300 innovative Arbeitsplätze geschaffen haben. Wir haben über fünf Millionen Euro Gründerförderung erfolgreich beantragt, welche direkt in Gründungsprojekte geflossen sind. Allein diese Zahlen verdeutlichen, inwiefern unsere Aktivitäten manifeste Beiträge zur wirtschaftlichen Prosperität und zum Wachstum der Wirtschaftsregion leisten können.
m&w: Wo liegen die Chancen bei Partnerschaften zwischen dem Mittelstand und Startups und wie profitieren beide Seiten davon?
Dr. Sebastian Vogt: Die Frage, warum Partnerschaften zwischen Startups und etablierten Unternehmen grundsätzlich hilfreich seien können, lässt sich wissenschaftlich mit einem Verweis auf den Ökonomen Joseph Schumpeter begründen. Sein Konzept der „schöpferischen Zerstörung“ als Quelle für etwas Neues, Kreatives ist die „ursprüngliche Idee der heutigen Disruption“, die sich oftmals Startups auf die Fahnen geschrieben haben. Etablierte Unternehmen sind stark darin, klassische Innovationsschritte zu vollziehen. Sie entwickeln ihr Produkt von Version 1.0 zu 1.1 zu 1.2 und so weiter. Wenn man Entwicklungsschritte überspringen will, dann kann die Hilfe von Startups ein wertvolles Mittel sein. Disruption bedeutet Veränderung. Dieser – teils auch schmerzhafte – Veränderungsprozess gelingt oftmals besser in der Kooperation mit „jungen Wilden“. Um derartige Partnerschaften zu forcieren, fördern und begleiten wir im Sinne des Corporate Entrepreneurships maßgeblich Unternehmen der Region bei der Initiierung von Corporate Startups, der Entwicklung von disruptiven Innovationsprojekten oder dem Matching von Startups und regionalen Unternehmen zur Pilotierung von technischen Innovationen beziehungsweise neuartigen Geschäftsmodellen.
m&w: An welchen Lösungen für die Zukunft arbeiten regionale Startups?
Dr. Sebastian Vogt: Generell lassen sich die bei uns betreuten Gründungsvorhaben nicht in eine Sparte einteilen, da sie genauso vielfältig sind, wie unsere Gründer und Forschungslandschaft selbst. Was wir aber merken ist, dass eine Vielzahl unserer Gründer auf den Stärken der Region aufbaut. Vor diesem Hintergrund zeigen unsere Ausgründungen ein sehr großes unternehmerisches Potenzial insbesondere für Geschäftsideen im B2B-Bereich, die auf Ingenieurswissenschaften und IT aufbauen. Wichtige Impulse kommen dabei auch von den vielen Unternehmen und Forschungseinrichtungen, die hier in der Region in den Themen „Intelligente Technische Systeme“ sowie „Industrie 4.0“ besonders stark sind.