Wissenstransfer – TrainOs

Serie: Wissens- und Technologietransfer – Komplexe Prozesse einfach gemacht

In unserer Serie berichtet Prof. Dr. Sebastian Vogt, Geschäftsführer des Technologietransfer- und Existenzgründungs-Center der Universität Paderborn (TecUP), über erfolgreiche Ausgründungen und den Nutzen für Wirtschaft und Gesellschaft.

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Prof. Dr. Sebastian Vogt ist Geschäftsführer des Technologietransfer- und Existenzgründungs-Centers der Universität Paderborn (TecUP), dem Exzellenz Start-up Center OWL. Anhand von Best-Practice-Beispielen berichtet er, wie es durch Hochschulausgründungen gelingen kann, Forschungserkenntnisse für Wirtschaft und Gesellschaft nutzbar zu machen.

Wer kennt ihn nicht, den plagenden Rückenschmerz? Nahezu jede Person hatte schon mehr oder minder damit zu tun, nicht zuletzt durch zu wenig Bewegung oder Fehlhaltungen während langer Arbeitstage am Schreibtisch. Bedenklich wird es, wenn die Schmerzen bleiben. So zeigt sich in der Wirbelsäulenchirurgie eine zunehmende Verbreitung von chronischen Rückenschmerzen aufgrund von unterschiedlichsten Erkrankungen der Wirbelsäule, welche oft operative Stabilisierungen erforderlich machen. Durch die hohe Komplexität solcher Eingriffe treten oftmals Besonderheiten während einer Operation auf, wobei gerade bei Wirbelsäulenoperationen das Können der Chirurgen essenziell ist, um irreversible Verletzungen des Rückenmarks zu vermeiden. Um gravierende Folgen für den Patienten zu minimieren, ist sowohl die Ausbildung von Chirurgen zum Erlernen der entsprechenden OP-Techniken als auch das fortlaufende OP-Training für erfahrene Chirurgen essenziell.  Das Problem ist jedoch, dass die üblichen Trainingsmöglichkeiten für Chirurgen stark eingeschränkt sind. So werden die OP-Techniken sowie -Fertigkeiten heutzutage noch oft an menschlichen Körperspenden oder am lebenden, narkotisierten Tier vermittelt – die Verfügbarkeit ist jedoch stark begrenzt. Zusätzlich wird immer wieder diskutiert, inwieweit das chirurgische Training am lebenden Tier ethisch, gesellschaftlich sowie pädagogisch vertretbar ist. Um tierisches Leid zu minimieren und der begrenzten Anzahl an Körperspenden zu begegnen, verpflichtet das sogenannte 3R-Prinzip – „reduce, replace, refine“ – zur maximalen Reduktion der Zahl solcher Trainingsmöglichkeiten in der Aus- und Weiterbildung von Chirurgen.

Aber hätte nicht jeder von uns gerne einen Chirurgen, welcher im Vorfeld einer OP bestmöglich trainiert wurde? Der schnell fortschreitende technische Fortschritt in der Medizin, vor allem im Bereich der minimalinvasiven Chirurgie, macht dies möglich und hat zu einem grundlegenden Umdenken geführt. Durch Simulationstrainings konnte eine außerordentliche Verkürzung der Lernkurve nachgewiesen werden. Doch trotz der sich rasant entwickelnden Simulationstechnologie fehlt es den auf dem Markt befindlichen technischen Trainingsmodellen noch an Realismus und Haptik.
Genau hier setzt das Team von TrainOs an. Die drei Gründer und Alumni der Universität Paderborn, Stuart Schmidt, Matthias Frese und Mohammed Afroze, bringen Kompetenzen aus den Bereichen Maschinenbau, Wirtschaftswissenschaften, Biomechanik, Additive Fertigung und Computer Engineering mit. Sie entwickelten eine realistische chirurgische Simulation, die die chirurgische Ausbildung an menschlichen Körperspenden sowie am lebenden Tier substituiert und es Chirurgen ermöglicht, OP-Techniken in einer sicheren und strahlungsfreien Umgebung zu erlernen. Dies wird unter anderem durch die Kombination von einem fühlbaren, 3D-gedruckten Anatomiemodell mit einem völlig strahlungsfreien Röntgeneffekt realisiert, womit gleichzeitig das kostenintensive und gesundheitsschädliche Röntgengerät während des chirurgischen Trainings ersetzt wird. Außerdem erarbeitet und entwickelt TrainOs aktuell eine weitere Lösung, um das Produktportfolio frühzeitig auszubauen. Hierbei soll das Anatomiemodell mit einer sogenannten Mixed Reality Brille, die virtuelle Objekte mittels einer speziellen Brille holographisch über die reale Welt projiziert, in Verbindung gesetzt werden, um virtuelle Navigations- und Visualisierungshilfen in der realen Umgebung anzeigen zu lassen. Durch den 3D-Druck können die Produkte auf alle Anatomien erweitert werden. Die Innovation wurde bereits patentiert.

Der Maschinenbauingenieur und Initiator des Projekts ist Stuart Schmidt. Durch die eigene Erkrankung an der Wirbelsäule und das damit einhergehende Interesse an der Wirbelsäulenchirurgie in Kombination mit den Studienfächern Biomechanik und Additive Fertigung führten schließlich zur Ideenentstehung. Mit seiner innovativen Geschäftsidee konnte das Startup auch außeruniversitäre Instanzen überzeugen. Nach der Förderung im „Gründerstipendium NRW“ des Ministeriums für Wirtschaft, Innovation, Digitalisierung und Energie des Landes Nordrhein-Westfalen bekam es eine zwölfmonatige Anschlussfinanzierung im Programm „EXIST-Gründerstipendium“ vom Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz in Höhe von 120.000 Euro. Zudem erhielten die Gründer ein eigenes Büro in unserem Gründungsinkubator garage33 und nehmen unser regelmäßiges Workshop-Angebot wahr. Als eines von insgesamt sechs Startups wurde TrainOs schließlich in unseren garage33-Accelerator aufgenommen. Dieser zielt darauf ab, reifere Gründungsteams bei der Skalierung und beim Wachstum bis hin zum Product-Market-Fit zu unterstützen.

Ein Pilotprojekt mit dem Brüderkrankenhaus St. Josef Paderborn und der Neurochirurgie Paderborn MVZ GmbH ist bereits angelaufen. Als nächste Schritte plant TrainOs die Gewinnung weiterer Pilotkunden, um die Produkte zusammen mit dem Kunden weiterzuentwickeln sowie ein Fundraising zur Teamerweiterung und Weiterentwicklung der Produkte.

 

 

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