Plattform-Geschäftsmodell nach der Lean-Start-up-Methode
In unserer Serie berichtet Prof. Dr. Sebastian Vogt, Geschäftsführer des Technologietransfer- und Existenzgründungs-Center der Universität Paderborn (TecUP), über erfolgreiche Ausgründungen und den Nutzen für die Wirtschaft.
Das Startup VanSite, eine Ausgründung der Universität Paderborn, stellt ein hervorragendes Beispiel für ein schnell wachsendes Plattform-Geschäftsmodell dar, welches nach der Lean-Start-up-Methode entwickelt wurde. Die geschäftsführenden Gründer Maximilian Buschmeyer und Sebastian Siegbert, Masterstudenten des Wirtschaftsingenieurwesens mit der Fachrichtung Maschinenbau, bieten auf ihrem Online-Portal naturnahe Wohnmobil-Stellflächen von privaten Anbietern an – vergleichbar mit Airbnb nur eben für Camper. Durch Kooperationen mit Landbesitzern, mittlerweile auch über die Grenzen von Deutschland hinweg, wird einerseits den Urlaubern die Möglichkeit gegeben, außerhalb der bekannten Optionen zu campen und andererseits den Landbesitzern eine unkomplizierte Möglichkeit für die Vermietung ihrer ungenutzten Freiflächen geboten. Somit folgt das Geschäftsmodell sowohl dem wachsenden Trend des Individualtourismus als auch der zukunftsweisenden Idee einer Sharing Economy, die zusehends an Bedeutung gewinnt.
Lean-Start-up ist eine beliebte Methode, um eine Geschäftsidee von Beginn an am Markt zu validieren. Dadurch können frühzeitig und kosteneffizient Änderungen am Produkt vorgenommen und eine hohe Entwicklungsgeschwindigkeit erreicht werden. Der iterative Prozess lässt das Kundenfeedback direkt in die Weiterentwicklung einfließen, sodass dieses stetig angepasst und optimiert wird. Durch enges Coaching vom TecUP entwickelten die Gründer Anfang 2020 zunächst eine Landing-Page, mit der sie Kaltakquise betrieben. In persönlichem Kontakt traten sie an Landbesitzer landwirtschaftlicher Betriebe heran und holten deren Feedback ein. Da die Geschäftsidee auf sehr viel positive Resonanz stieß, entwickelten sie daraufhin ein sogenanntes Minimum Viable Product (MVP) in Form einer minimal funktionsfähigen und nach dem Baukasten-Prinzip erstellten Website. Kurz darauf bewarben sie sich erfolgreich für das Gründerstipendium.NRW und bezogen im April 2020 ihr Büro in der garage33, dem Gründungszentrum der Universität Paderborn. Im Juli 2020 gründeten sie gemeinsam mit Carolin König und Alexander Herbst die VanSite UG und gingen mit dem ersten Prototypen der Online-Plattform und rund einhundert Gastgebern an den Markt. Das Prinzip ist simpel: Die Anbieter stellen ihre Freiflächen zu selbst gewählten Konditionen ein, woraufhin die Nutzer eine direkte Buchungsanfrage stellen können. Ein gegenseitiges Bewertungssystem sorgt für Transparenz und dient gleichzeitig als eine Art Kontrollmechanismus, da Nutzer durch eigenes Fehlverhalten ihren Ausschluss riskieren. Für die Integration weiterer funktionaler und durch die Kunden angeregter Elemente wie ein Sofortbuchungs-System wurde – ganz im Sinne von Lean-Start-up – schließlich eine Website nah an den tatsächlichen Kundenbedürfnissen programmiert.
Das Interesse an dem Geschäftsmodell ist groß und zeigt, wie die Gründer den Nerv der Zeit treffen.
Die rasante Entwicklung von VanSite ist bemerkenswert. Mittlerweile besteht das Team aus fünf Gesellschaftern und kann innerhalb weniger Monate neben einem enormen Zuwachs an Nutzern auch die Internationalisierung seiner Community verzeichnen. Das mediale Interesse ist, vielleicht noch beschleunigt durch die Corona-Pandemie, groß und zeigt, wie die Gründer mit ihrer Geschäftsidee den Nerv der Zeit treffen. Private Grundstückbesitzer, landwirtschaftliche Betriebe und Sportvereine bieten inzwischen Freiflächen in ganz Deutschland, Italien, Österreich und Rumänien an. Auch Unternehmen haben die Möglichkeit, Gastgeber zu werden, wenn sie im Grünen liegen. Viele Hundert positive Bewertungen mit fast hundertprozentiger Kundenzufriedenheit sind nicht zuletzt das Ergebnis der stetigen Produktvalidierung und -optimierung.
Ein Anstieg der Neuzulassungen bei Reisemobilen von über 70 Prozent allein im vergangenen Jahr lässt Rückschlüsse auf einen wachsenden Bedarf an Stellflächen ziehen. Um unerwünschtem Wildcamping etwas entgegenzusetzen, legt das Team daher den Fokus auf öffentliche Träger wie Kommunen, die durch die Bereitstellung ihrer Freiflächen den unkomplizierten und seichten Einstieg in den Ausbau der Camping-Infrastruktur gewährleisten könnten. Ein Pilotprojekt mit der Niedersäschischen Landesforsten, welches 330.000 Hektar Waldfläche bewirtschaftet, ist in Planung. In der aktuellen Konzeptionierungsphase werden geeignete Standorte, beispielsweise Wanderparkplätze nach schwedischem Vorbild, gesucht. Außerdem konnte das junge Team bereits mit einem Onlinehändler für Outdoor Equipment zusammenarbeiten. Das Beispiel von VanSite zeigt, dass es nicht immer einer „Raketenwissenschaft“ bedarf, um ein erfolgreiches Startup auf die Beine zu stellen. Oft ist die Kombination aus einer guten Idee zur rechten Zeit, den passenden Gründern und richtigen wissenschaftlichen Methoden zur Geschäftsmodellentwicklung ein guter Weg, um durch Wissenstransfer aus den Hochschulen einen nutzenstiftenden Mehrwert für die Gesellschaft zu generieren.