Wissenschaftliches Know-how birgt wertvolles Potenzial bei der Umsetzung einer Nachhaltigkeitsstrategie. Wie Unternehmen durch Kooperationen mit Hochschulen und Universitäten profitieren.
Pedro Campos Silva bringt es auf den Punkt: „Wir sind so etwas wie Möglichmacher.“ Der Projektleiter des ThinkTank OWL fasst das Aufgabenspektrum jedoch noch weiter. Die Denkfabrik am Campus Bielefeld habe eine Art Übersetzungsfunktion, weil sie Know-how und Möglichkeiten von Forschung für die Unternehmen greifbar mache. Gleichzeitig will sie Berührungsängste mit der Wissenschaft nehmen und Kollaborationen ermöglichen, insbesondere für die Unternehmen, die aufgrund ihrer personellen Kapazitäten keine eigene Forschungs- und Innovationsarbeit leisten können.
Jedes Unternehmen muss sich mittlerweile fragen, was Nachhaltigkeit konkret für den eigenen Betrieb bedeutet und welche Ziele es erreichen möchte, so Pedro Campos Silva. Und sich die Frage stellen, wie die heutigen und künftigen Entscheidungen auszurichten sind?
„Es geht darum, eine Haltung zum Thema zu entwickeln und sich zu überlegen, wie das eigene Geschäftsmodell für die Zukunft aussehen soll. Hochschulen können in diesem Prozess ein idealer Partner sein, der helfen kann, Antworten zu finden.“
Eine gute Möglichkeit, sich über Kooperationen mit der Forschung zu informieren, bot der erste Transfer-Tag der Nachhaltigkeit. Auf der Veranstaltung, die von der Technischen Hochschule Ostwestfalen-Lippe (TH OWL) in Lemgo und der Hochschule Bielefeld erstmals durchgeführt wurde, bekamen die Besucherinnen und Besucher konkrete Ergebnisse erfolgreicher Zusammenarbeit präsentiert, die zeigten, wie gemeinsam Lösungen für nachhaltiges Wirtschaften gefunden werden können. „Diese Beispiele aus der Praxis sollen Ideen wecken für neue Projekte und Kooperationen“, sagt Julia Wunderlich, Projektleiterin an der TH OWL und Organisatorin des Transfer-Tags.
Richtig gut funktioniert die Kooperation zwischen der Hochschule Bielefeld und dem Unternehmen Naue. Die beiden Partner sind seit gut drei Jahren in Kontakt und haben gemeinsam bereits einiges bewegt. Die Espelkamper sind Spezialisten für Geobaustoffe, die im Grundwasserschutz zum Einsatz kommen. Den Mittelständler treiben schon länger die Themen Nachhaltigkeit und Digitalisierung um.
„Wie können Künstliche Intelligenz (KI) und die Digitalisierung helfen, uns noch nachhaltiger zu positionieren“, beschreibt Jens Tiemeyer, IT-Leiter und für die Digitalisierung bei Naue verantwortlich, die Herausforderung.
Tiemeyer suchte den Austausch mit Wirtschaftsinformatiker Professor Dr.-Ing. Hans Brandt-Pook. Der Wissenschaftler der Hochschule Bielefeld und seine Studierenden erarbeiteten nach einigen Gesprächen praktikable Vorschläge und empfahlen dem Unternehmen, KI im Vertrieb einzusetzen. Dazu entwickelten sie eine Lösung zur Lead-Generierung in den Sozialen Medien. „Naue kann so auf den Social-Media-Kanälen horchen, wo zum Beispiel eine Mülldeponie gebaut oder ein Wasserschutzprojekt geplant ist. Diese frühe Information unterstützt den Vertrieb bei der Akquise neuer künftiger Projekte und Aufträge“, beschreibt Professor Brandt-Pook das Konzept, das mittlerweile bei Naue praktiziert und weiterentwickelt wird.
Die Kooperationspartner haben bereits das nächste Projekt angestoßen, dessen Ziel es ist, herauszufinden, inwieweit der Planungsprozess noch besser gesteuert werden kann, sodass die Kunden bei der Entwicklung und Umsetzung ihrer Vorhaben eine noch bessere Beratung und Begleitung erhalten. „Wir haben hier den Ansatz „Green by Design“ im Blick. Naue möchte sich hier gut positionieren und seine Produkte verkaufen. Ein guter Kundenservice unterstützt dieses Vorhaben noch stärker. Das Projekt gestaltet sich so, dass wir den Planungsprozess mit ganz aktuellen Methoden unterstützen“, so der Professor. Dazu gehören zum Beispiel die großen Sprachmodelle ChatGPT und GPT3. Und das funktioniert so: Der Kunde stellt eine konkrete sprachliche Anfrage zum Beispiel, wie sich ein Regenrückhaltebecken bauen lässt. Hier geht es nicht über die klassische Suche, bei der Listen und Dokumente angezeigt werden. Vielmehr erhält der Nutzer einen Text, in dem alle relevanten Informationen zu der Anfrage aus verschiedenen Naue-Dokumenten zusammengestellt wurden. Auch dieses Projekt befindet sich bereits in der internen Testphase. Vertriebsingenieure prüfen zurzeit die Qualität der vom System bereitgestellten Informationen.
Kooperationen wie diese sind ein Beispiel dafür, wie Wissenschaft und Wirtschaft gemeinsam an der Lösung von Herausforderungen arbeiten können. Professor Brandt-Pook betont den Nutzen für beide Seiten.
„Gemeinsame Projekte sind eine Win-Win-Situation.“
Studierende erhalten eine attraktive praxisorientierte Fragestellung, die sie nach wissenschaftlichen Methoden erarbeiten können. Unternehmen profitieren vom Know-how der Forschenden, das die eigene Innovationsfähigkeit stärkt und in die Entwicklung von neuen Ideen oder Geschäftsmodellen mündet.